© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/09 27. Februar 2009

„Werte machen erfolgreich“
Sind Werte in der Wirtschaft Firlefanz? Nein, sie sind eine „Geheimwaffe“, meint Jörg Knoblauch
Moritz Schwarz

Herr Professor Knoblauch, beim Thema „Werte“ denkt man sofort an Sonntagsreden.

Knoblauch: Das ist ein Fehler. Tatsächlich sind Werte im Wirtschaftsleben inzwischen zu einem Überlebenskriterium geworden.

Inwiefern?

Knoblauch: Eben komme ich aus den USA zurück. Dort hat der Management-Experte und Motivationstrainer Steven Covey sein neues Buch „The Speed of Trust“ veröffentlicht. Es geht darum, wie wichtig Vertrauen als wirtschaftlicher Faktor ist.

Zum Beispiel?

Knoblauch: Zwei Unternehmen schließen einen Vertrag: Man setzt langwierig ein umfangreiches Regelwerk auf, das kaum einer überblickt und das von teuren Rechtsberatern aufwendig geprüft werden muß. Schließlich verklagen sich beide Vertragspartner, stehen monatelang vor Gericht, haben Termine, Schriftverkehr und Rechtsberatungsgespräche ohne Ende. Oder: Man macht einen kurzen, klaren Vertrag und erfüllt ihn! Sie sehen, Vertrauen ist ein ökonomischer Faktor, der extrem viel Zeit, Kosten und Kapazitäten spart: Ressourcen, die Sie längst in neue Geschäfte stecken können, während sich Ihre Konkurrenten noch mit ihren Vertragspartnern vor Gericht rumstreiten.

Klingt einleuchtend. Aber ist das nicht naiv?

Knoblauch: Der Amerikaner Jim Collins, einer „der“ Management-Gurus, hat die Frage untersucht: „Was macht Firmen erfolgreich?“ Er nahm dafür Weltfirmen wie Procter & Gamble, Xerox oder IBM unter die Lupe. Die Antwort, die er gefunden hat war: Werte!

Seit der Finanzkrise und den jüngsten Skandalen um Boni-Zahlungen der Banken redet jeder von Werten. Ist das nicht nur eine Mode?

Knoblauch: Das glaube ich nicht, denn die gegenwärtige Krise besteht nicht nur darin, daß viel Geld verspekuliert, sondern auch, daß viel Vertrauen zerstört worden ist. Man sollte einmal volkswirtschaftlich quantifizieren, wie teuer uns dieser Teil der Krise kommt. Wir wären wohl sehr erstaunt.

Die Gesetze des Marktes lauten zum Beispiel: Konkurrenz, Gewinnmaximierung, Vorteilsnahme, Verdrängung. Stehen diese Prinzipien nicht im Widerspruch zu Werten? 

Knoblauch: Auf den ersten Blick ist es wirklich so, daß Werte und Markt unvereinbar erscheinen. Man erkennt erst bei näherer Betrachtung, daß Werte am Markt einen Wettbewerbsvorteil bedeuten. Der Eindruck, daß dem nicht so sei, entsteht, weil Werte sich nicht kurzfristig auszahlen, sondern eine Investition in die Zukunft darstellen. Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel aus der Geschichte geben: Der Staat Preußen ist ein überzeugender Fall, um das Erfolgsmodell Werte darzulegen: Dort gelang es, ein Ethos zu schaffen, das einer der maßgeblichen Gründe für den die ganze Welt in Erstaunen versetzenden Erfolg des preußischen Beamtenstaates war. Die an natürlichen Reichtümern arme Provinz entwickelte sich auch durch die beispielhafte Kultivierung von Werten wie Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Transparenz, Treue gegenüber dem Dienstherrn, Fürsorge für die Untergebenen, verantwortlicher Umgang mit Ressourcen etc. zur europäischen Großmacht.

Werte mögen bei Schönwetterperioden ein Vorteil sein, muß man aber in schwerer See überleben, ist sich wieder jeder selbst der nächste.

Knoblauch: Das ist die klassische Betrachtungsweise. Aber auch das ist ein Trugschluß. Im Gegenteil, Werte, die nur in Schönwetterperioden postuliert werden, sind nicht glaubhaft. Sie werden als aufgesetzt durchschaut und nützen gar nichts. Tatsächlich sind Werte sogar gerade für rauhe Zeiten gemacht. Sie sind der Kitt, der die zusätzliche Belastung aushält. Gerade in Schönwetterperioden braucht man sie nicht, denn dann ist ja noch genug für alle da. Wann wurde denn in Zusammenhang mit der gegenwärtigen Krise laut über Werte gesprochen? In der Phase der Überspanntheit, als alle glaubten, mit der Blase könnte man fast unbegrenzt Geld verdienen? Oder eben jetzt, wo Heulen und Zähneklappern ausgebrochen ist? Jetzt vermissen wir sie und wünschten, wir hätten uns in der Schönwetterperiode mehr damit beschäftigt. Fachleute schätzen, in Deutschland werden zwischen zehn und zwanzig Prozent der Unternehmen das Ende dieses Jahres nicht mehr erleben. Das Hauen und Stechen, von dem Sie sprechen, setzt jetzt also erst richtig ein. Das wird die Wertethematik aber nicht zu Fall bringen, im Gegenteil, es wird sie beflügeln.

Ist das Ideal des „ehrbaren Kaufmanns“ also keine Fiktion?

Knoblauch: Nein, ist es nicht. Natürlich können Sie entgegnen: „Wenn Werte Vorteile bringen, sind es dann eigentlich noch Werte?“ Das ist natürlich eine berechtigte Frage. Ich gebe zu, das neue Interesse an Werten resultiert nicht daraus, daß plötzlich alle Menschen Engel sind, sondern weil sie handfeste Vorteile bringen. Es stimmt eben doch: Ehrlich währt am längsten.

Wie hoch ist die Wertebindung unter deutschen Unternehmen tatsächlich?

Knoblauch: Laut einer Allensbach-Studie bekennen sich sage und schreibe siebzig Prozent aller Unternehmer dazu, fromm und werteorientiert zu sein! Das finde ich eine überraschende Zahl. Außerdem gibt es 42 Organisationen christlicher Geschäftsleute, die versuchen, ihre unternehmerische Verantwortung auch als eine gesamtgesellschaftliche zu begreifen. Kaum bekannt ist auch, daß es hierzulande rund zwölfhundert christliche Gebetskreise in Betrieben gibt. In den USA sind 12.000 betriebliche Pfarrer beschäftigt. Sie glauben nun, nur in ganz besonders christlichen Firmen? Nein, Coca Cola hat zum Beispiel acht solche Pfarrer, American Tobacco zwölf etc. Man sieht, welchen hohen wirtschaftlichen Wert selbst internationale Marktführer der Pflege von Werten beimessen!

Warum haben dann gerade Unternehmer meist einen so unchristlichen Ruf?

Knoblauch: Das Problem ist, daß in den Medien solche Sachen kaum Niederschlag finden. Dort wird vor allem – natürlich ist das nachvollziehbar – über die Skandalfälle berichtet, wie jetzt über die sogenannten „Boni-Bankster“. Eigentlich ist das eine Minderheit, aber ihre ständige Medienpräsenz verdirbt den Ruf des ganzen Standes.

Von Donnerstag bis Samstag veranstalten Sie in Düsseldorf unter dem Motto „Mit Werten in Führung gehen“ den 6. Kongreß christlicher Führungskräfte, Deutschlands größten Wertekongreß. Müssen Werte denn christlich sein?

Knoblauch: Ich sage ganz klar nein! Und Sie werden auf dem Kongreß auch viele Nicht-Christen treffen. Aber ich sage ebenso klar: Christen tun sich mit Werten natürlich leichter. Der bereits erwähnte Management-Guru Jim Collins zum Beispiel betont, daß er selbst kein Christ sei, aber feststellen müsse, daß diejenigen Unternehmer, die in der amerikanischen Tradition der christlichen Wertevermittlung stehen, gegenüber denen, die nichts als die reinen Wirtschaftswissenschaften mitbekommen haben, oft im Vorteil sind. Und natürlich weise ich auch darauf hin – und damit muß sich auch der Nicht-Gläubige auseinandersetzen –, daß unsere abendländischen Werte, auch wenn sie heute nicht mehr eindeutig als christlich erkennbar sein mögen, ursprünglich aus dem Christentum stammen: Freiheit, Solidarität, Toleranz, Menschenrechte, aber ebenso das unternehmerische Ethos, die Grundlage unserer marktwirtschaftlichen Ordnung, wie der Soziologe Max Weber mit seiner bahnbrechenden Arbeit über die protestantische Arbeitsethik als Motor des Kapitalismus bekanntlich nachgewiesen hat.

Der Kongreß ist eindeutig christlich geprägt. Was zieht nicht-gläubige Besucher dennoch an?

Knoblauch: Ja, das stimmt, unter anderem wird dort auch zusammen gebetet und gesungen. – Die Hemmschwelle ist einfach gesunken: Noch vor zwanzig Jahren wäre es niemandem, der nicht christlich ist, in den Sinn gekommen, so einen Kongreß zu besuchen. Heute erlebe ich viele begeisterte, dankbare nicht-gläubige Besucher, die sich einfach von der Atmosphäre anstecken lassen und die Stimmung bei uns genießen. Etwa so wie sich Nicht-Gläubige für ein paar Wochen in ein Kloster zurückziehen, um sich in der meditativen Stimmung dort mental und seelisch wiederherzustellen.

Was erlebt man konkret auf dem Kongreß?

Knoblauch: Viele erleben das Wirtschaftsleben leider immer noch so, wie Sie es vorhin beschrieben haben: hart, kalt, schnellebig, unbarmherzig. Der Kongreß gibt die Gelegenheit, zweieinhalb Tage lang eine andere Art von Unternehmern zu treffen: Menschen wie man selbst, die ihre Unternehmensführung nach alternativen Gesichtspunkten ausrichten wollen. Ich lerne dort interessante Persönlichkeiten kennen, die mir neue Einblicke verschaffen, mir Beispiel geben, mir von ihren Erfahrungen berichten; Menschen, die vielleicht auch von mir lernen, die mich verstehen, mit denen ich gemeinsam weiterkomme. Das Ganze ist umrahmt von einem bunten Programm an interessanten Vorträgen, Diskussionsrunden und Seminaren. Und natürlich werden auch einige Prominente zu Gast sein, etwa der Unternehmer Claus Hipp, der Journalist Peter Hahne oder der Buchautor Notker Wolf.

Der Kongreß entstammt eigentlich der konservativen, evangelikalen Sphäre, die vielfach noch als politisch inkorrekt gemieden wird. Doch beim letzten Mal 2007 in Leipzig hatten Sie sogar den EKD-Ratsvorsitzenden Bischof Huber zu Gast. Der hätte sich einen Auftritt bei Ihnen vermutlich früher nicht träumen lassen.

Knoblauch: Bischof Huber ist heute konservativen Positionen gegenüber wohl weniger verschlossen als früher. Aber unser Geheimnis ist zweifellos, daß es uns gelungen ist, die ganze Bandbreite der christlichen Unternehmerschaft in Deutschland auf unserem Kongreß zu vereinen und „abzubilden“. Dadurch sind wir innerhalb von nur zehn Jahren von einer kleinen Randveranstaltung zum größten und – weil sich bei uns viele Entscheider treffen – vielleicht auch einem der gewichtigsten christlichen Wertekongresse in Deutschland geworden.

Wie politisch sind Werte?

Knoblauch: Werte sind auch politisch. Und viele von uns mischen in der Politik mit. Interessant ist, daß in letzter Zeit immer mehr christliche Unternehmer in die FDP gehen. Warum das so ist, darüber sollte die CDU vielleicht einmal nachdenken.

Warum ist das so?

Knoblauch: Fragen Sie die CDU.

Als christlicher Mittelständler gehören Sie zur  klassischen CDU-Klientel. Was meinen Sie?

Knoblauch: Auch wenn ich manches kritisieren würde, finde ich, daß Frau Merkel unterm Strich doch gute Arbeit macht.

Kardinal Meisner, in diesem Jahr zu Gast auf Ihrem Kongreß, hat die CDU bekanntlich aufgefordert, konsequenterweise das C im Namen aufzugeben.

Knoblauch: Das stimmt, und ich kann die Argumente verstehen, aber diese Thematik würde unseren Kongreß überfordern. Wir haben zwar auch politische Prominenz eingeladen, und Politik spielt natürlich auch eine Rolle, aber in erster Linie ist der Kongreß auf die unmittelbaren Bedürfnisse der Besucher ausgerichtet.

Sie sind selbst Mittelständler und bieten professionelles „Consulting“ für werteorientierte Unternehmer. Was hat man sich darunter vorzustellen?

Knoblauch: Wir beraten vor allem Firmen im Bereich 50 bis 500 Mitarbeiter. Zu unseren Kunden gehören allerdings auch Schwergewichte wie Bosch, Mercedes-Benz oder die Schweizer Bahn. Wir schulen ganze Belegschaften, die Führungsetage oder bieten Hilfestellung für den Unternehmer selbst. Unternehmer sind zwar immer hundertprozentige Leistungsträger, aber auch sie suchen mitunter nach der Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit, fragen nach einer Neuausrichtung. Unsere Life-Coaching-Programme helfen da, die eigentlichen Werte wiederzuentdecken, im Privat- wie im Berufsleben.

 

Prof. Dr. Jörg Knoblauch: Der preisgekrönte Unternehmer, Unternehmensberater und Bestsellerautor ist Initiator und Vize-Vorsitzender des Kongresses christlicher Führungskräfte, Deutschlands größten Wertekongresses, der vom 26. bis 28. Februar in Düsseldorf stattfindet. Unter dem Motto „Mit Werten in Führung gehen“ treffen sich über dreitausend Unternehmer aus ganz Deutschland, um sich über Werte und deren Nutzung zur Unternehmensführung zu informieren (siehe auch Seite 8).

Kontakt: Steinbühlstraße 3, 35578 Wetzlar, Telefon: 0 64 41 / 91 51 32, Internet: www.christlicher-kongress.de 

Knoblauch, Jahrgang 1949, studierte Ingenieurswesen und Betriebswirtschaft, lehrte an der Universität St. Gallen und ist Chef der Tempus Consulting (www.tempus.de) im schwäbischen Giengen/Brenz. Der Personal- und Unternehmens-berater erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den „Best Factory Award“ für das bestgeführte deutsche Klein-unternehmen. Außerdem veröffentlichte Knoblauch, der auch Siemens, VW, Ford, McDonald’s oder Mercedes-Benz berät (www.joergknoblauch.de), zahlreiche Bücher, etwa „Unternehmens-Fitness. Der Weg an die Spitze“ (Gabal, 2001), „Werte haben Zukunft. Konzepte christlicher Führungskräfte“ (Brunnen, 2003) oder „Dem Leben Richtung geben. In drei Schritten zu einer selbstbestimmten Zukunft“ (Campus, 2007).

Foto: Wertekongreß: „In nur zehn Jahren sind wir von einer kleinen Randveranstaltung zum größten Wertekongreß Deutschlands mit rund 3.000 Besuchern geworden“

 

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