© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/09 27. Februar 2009

Bombenstimmung
Spanien: Regionalwahl voller Unsicherheiten / Spanischer Gerichtshof verbot Antritt linksnationalistischer Parteien
Martin Schmidt

Im spanischen Teil des Baskenlands finden am Sonntag Regionalwahlen statt – diesmal in einer besonders aufgeheizten Stimmung, denn der Oberste Gerichtshof hat die einzigen beiden linksnationalistischen Parteien D3M und Askatasuna („Freiheit“) vom Urnengang ausgeschlossen. Ihre ideologische Nähe zu der vor sechs Jahren verbotenen Partei Batasuna, als deren Nachfolgeorganisationen sie gelten, rückte sie in den Augen der Madrider Richter in die Nähe der Eta.

Die Untergrundorganisation könnte den Wahltag nutzen, auf die 2003 begonnene Strategie der spanischen Zentralregierung, ihre Vorfeldorganisationen durch Verbote zu schwächen, mit Bombenanschlägen zu antworten. Und erstmals wird nun keine einzige Partei aus diesem Spektrum, das mindestens ein Zehntel der Bevölkerung vertritt, im Regionalparlament vertreten sein.

Der 1. März ist aber auch aus einem anderen Grund eine Zäsur. Manche linksnationale Basken könnten nach den Parteiverboten diesmal ihr Kreuz beim baskischen Landesverband der spanischen Sozialisten (PSOE-PSE) von Premier José Luis Rodríguez Zapatero machen. Dies wiederum dürfte die bislang regierende christdemokratische Baskische Nationalpartei (EAJ/PNV) die Mehrheit kosten. Die EAJ ist zudem tief zerstritten.

Der nationalbaskische Kurs von Regionalpräsident Juan José Ibarretxe Markuartu – einschließlich seines 2008 gescheiterten Versuchs, eine Volksabstimmung über das Selbstbestimmungsrecht durchzusetzen (JF 39/08) – steht in Frage. Manche in der Partei liebäugeln bereits mit einer EAJ-PSOE-Koalitionsregierung, wie es sie in den achtziger Jahren gab. Andere kritisieren dies als Verrat am baskischen Selbständigkeitsbestreben. Die Eta-Extremisten geben sich unterdessen trotzig. Den 1968 begonnenen bewaffneten Kampf wolle man „mit allen Mitteln und Wegen“ so lange weiterführen, bis das Baskenland seine politische Unabhängigkeit erreicht habe, verlautbarten sie im Januar anläßlich des 50jährigen Bestehens ihrer Bewegung.

Man sei „unbesiegbar“ und reproduziere sich schon seit Jahrzehnten immer wieder aus der Bevölkerung neu, obwohl die spanischen Regierungen wiederholt den endgültigen Sieg über die Untergrundkämpfer verkündet hätten. Der Wunsch der Basken nach Unabhängigkeit sei heute, so der Tenor der Erklärung, stärker als vor 50 Jahren und auch stärker als vor 30 Jahren, als die Franco-Ära endete.

Beides dürfte stimmen. Doch der Eta-Terror, der bisher über 800 Menschenleben kostete, hat viele Basken von der Nationalidee entfremdet. Eine erfolgreiche Bekämpfung der Extremisten durch Madrid könnte aber die paradoxe Folge haben, daß die Rufe nach Eigenstaatlichkeit lauter werden – zumal das wohlhabende Baskenland angesichts der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise erst recht versucht sein könnte, sich vom kriselnden Spanien zu trennen.

Die weitere wirtschaftliche Entwicklung Europas wird – unabhängig vom baskischen Wahlergebnis – mittelfristig auch im Baskenland die Weichen für die künftige politische Ausrichtung der Region stellen.

Hinzu kommen nach dem Präzedenzfall Kosovo zwei weitere Anlässe in Gestalt der Unabhängigkeitsfrage in Flandern und Schottland. Sollten diese beiden Gebiete – in Belgien sind die Verhandlungen über eine Staatsreform erneut gescheitert, in Schottland soll 2010 das Volk über die Loslösung von London abstimmen – ihren eigenen Weg gehen, würde zweifellos auch die Nationalbewegung der Basken erheblich an Zulauf gewinnen.

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