© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/09 06. März 2009

Angst vor Zuständen wie in Simbabwe
Finanzkrise: Weil die Pleite der Hypo Real Estate unabsehbare Folgen hätte, pumpt der Staat immer mehr Geld in die Bank
Paul Rosen

Man fühlt sich an das sprichwörtliche Pfeifen im Walde erinnert. Banker tingeln durch die Lande und preisen Pfandbriefe zur Geldanlage an. „Der Pfandbrief hat andere Krisen überstanden als die Finanzmarktkrise“, war von Louis Hagen vom Verband deutscher Pfandbriefbanken in einer Anhörung des Bundestages am 21. Januar zu hören. Das Rühren der Werbetrommel hat einen triftigen Grund. Der Chef der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau, Ulrich Schröder, wies kurz vor Weihnachten darauf hin, daß der Pfandbriefmarkt für die Kommunen praktisch tot sei. Von einem Investorenstreik war die Rede. Bei der Suche nach den Ursachen des Streiks führt der Weg nach München. Dort sitzt die „Hypo Real Estate“ (HRE), eine so gut wie konkursreife Bank, die sich auf das Pfandbriefgeschäft spezialisiert hat.

Einige Kernzahlen sind zum Verständnis des Finanzmarktes wichtig. So sind in Deutschland Pfandbriefe im Wert von 900 Milliarden Euro auf dem Markt. Davon halten deutsche Lebensversicherer 440 Milliarden Euro. Diese Pfandbriefe haben Laufzeiten von mehreren Jahren. Nach Ende der Laufzeit erhalten die Investoren ihr Geld zurück und legen dies im Normalfall gleich wieder neu an. Das Problem ist heute nur, daß kaum jemand noch langlaufende Anleihen kaufen mag. Das Vertrauen der Anleger ist zerstört, sie investieren Geld nur noch kurzfristig. Die Politik unternimmt nun den verzweifelten Versuch, die HRE zu verstaatlichen, nachdem bereits 100 Milliarden Euro in Form von Garantien, Bürgschaften und Einlagen für das Institut bereitgestellt wurden. Dahinter steckt der Glaube, die Kunden würden wieder Pfandbriefe kaufen, wenn sie von einer staatlichen Bank emittiert werden.

Die HRE-Bilanz weist 390 Milliarden Euro Schulden aus. Dieses Geld ist die HRE überwiegend Pfandbriefkäufern schuldig. Im Vergleich zum Fall HRE erscheint der zehn Milliarden Euro teure Zusammenbruch der Düsseldorfer Industriebank (IKB) wie die Pleite einer dörflichen Raiffeisenkasse. Das Geschäftsmodell von Banken wie der HRE ist recht einfach. Sie besorgen dem Staat (seltener Privatunternehmen) frisches Geld, das sie zuvor über Pfandbriefe bei Versicherungen und Privatanlegern eingesammelt haben. Der Geldbedarf des Staates ist gigantisch. Rund 1,5 Billionen Euro Staatsschulden müssen regelmäßig umgeschuldet werden. Für den Pfandbriefbesitzer ist das Geld gut angelegt. Die Sicherheit deutscher Pfandbriefe besteht aus Absicherungen mit Immobilien. Das Risiko des Pfandbriefes ist auch deshalb so niedrig, weil nur 60 Prozent des Wertes einer Immobilie beliehen werden können. Das heißt, selbst ein starker Verfall der Immobilienpreise bis zu 40 Prozent ist verkraftbar. Geht die den Pfandbrief herausgegebende Bank pleite, kommen Zinsen und Tilgungszahlungen des Pfandbrief-Schuldners nicht in die Konkursmasse. Der Besitzer des Briefes erhält sein Geld einschließlich der Zinsen über einen Treuhänder zurück. 

Man könnte nun sagen, daß die HRE problemlos pleite gehen könnte, da die Anleger geschützt sind. Doch ein Konkurs würde bedeuten, daß die Bank ihre Geschäftstätigkeit einstellen muß. Das große Schuldenrad, das in München in den vergangenen Jahren immer schneller gedreht wurde, käme schlagartig zum Stillstand. „Wenn nach Lehman Bro-thers ein weiteres systemrelevantes Institut zusammengebrochen wäre, hätte die Gefahr bestanden, daß das Zahlungswesen innerhalb weniger Tage kollabiert wäre“, so der CSU-Bundestagsabgeordnete Albert Rupprecht, der dem Kontrollgremium des Bankenrettungsfonds SoFFin vorsitzt. Bundesbankpräsident Axel Weber wurde von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit noch drastischeren Worten zitiert: „Die Funktion des Geldes wäre in Gefahr gewesen. Man hätte dann womöglich nicht mehr mit der EC-Karte bezahlen können.“

An die Stelle der Geldwirtschaft wäre wieder eine Tauschwirtschaft wie zu Zeiten der großen Inflation nach dem Ersten Weltkrieg oder nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Währungsreform 1948 getreten. Lebensversicherungen würden bei einer HRE-Pleite reihenweise in  Zahlungsschwierigkeiten geraten.

Es handelt sich nicht nur um ein deutsches Problem. Die HRE finanziert auch ausländische Regierungen und hat offenbar völlig überschuldete Länder wie Griechenland, Italien oder Portugal auf der Kundenliste. Die Anleger, die Pfandbriefe gekauft haben, die mit Schulden fremder Regierungen abgesichert sind, sind im Zweifelsfall nicht so gut dran, weil es keine Absicherung über Grundbucheinträge gibt. Auch hier gilt: Käme die Auszahlung eines italienischen Pfandbriefs wegen einer HRE-Pleite ins Stocken, wäre die Kreditwürdigkeit des ohnehin finanziell angeschlagenen Landes dahin. Der Staatsbankrott wäre nahe. Das gilt im Prinzip auch für Deutschland, obwohl die Kreditwürdigkeit der Bundesrepublik erheblich besser ist als die Italiens. Schon werden Warnungen vor einem Zusammenbruch der Euro-Währung laut. Bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs zur Banken-Verstaatlichung war Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) so zu verstehen. Es steht also weit mehr auf dem Spiel als das Schicksal einer Bank namens HRE, die noch vor ein paar Jahren nur Finanzmarktexperten kannten.

Auch andere im Pfandbriefgeschäft tätige Banken haben Probleme. Die HSH Nordbank mußte von ihren Haupteigentümern, den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein, mit Milliarden-Zusagen gestützt werden (siehe Seite 4). Müßten die Länder für die gegebenen Bürgschaften eines Tages zahlen, wären sie auf der Stelle zahlungsunfähig und könnten ihren Beschäftigten die Gehälter nicht bezahlen. Das wären Zustände wie in Simbabwe. Daher werden die verantwortlichen Politiker alles tun, um diese Banken nicht pleite gehen zulassen.

Noch gerade rechtzeitig hatte sich der Milliardär Wolfgang Schuppli aus dem Pfandbriefgeschäft verabschiedet und seine taumelnde Düsseldorfer Hypothekenbank unauffällig an den Einlagensicherungsfonds der deutschen Banken abgegeben. Schuppli hatte das Ausmaß der Krise erkannt und war im letzten Moment aus dem Hypotheken- und Pfandbriefgeschäft ausgestiegen.

Anders verhält sich der amerikanische Investor Flowers, der sowohl bei der HRE als auch der HSH Nordbank engagiert ist und an seinen wertlosen Aktienpaketen festhält. Doch die Politik wird sich die HRE aneignen, weil sie dringend frisches Geld braucht.

Foto: Der HRE droht der Kollaps: Notoperationen

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