© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/09 06. März 2009

UMWELT
Real existierender Zynismus
Volker Kempf

Sport und Politik sind nicht immer voneinander zu trennen, wie etwa die Olympischen Spiele 2008 in China deutlich gemacht haben. Letztlich blieb es beim Wortgeklingel um einen Boykott, aber die Probleme gerieten immerhin in den Blickpunkt. Bei Menschenrechtsverletzungen versteht die westliche Welt meist keinen Spaß – es sei denn, es bestehen gute Geschäftsbeziehungen, dann steigert das die Kulanz. Mit Blick auf die Winterolympiade in Kanada 2010 gerät auch ein die westliche Wertegemeinschaft störendes Phänomen in den Blick: das Jahr für Jahr von der kanadischen Regierung genehmigte Abschlachten von Robbenbabys für die Pelzindustrie. Die Tierschutzorganisation Peta fordert zu Protesten auf: „Hunderttausenden dieser sanftmütigen Tiere wird der Schädel eingeschlagen oder sie werden erschossen; oft häutet man sie vor den Augen ihrer hilflosen, schreienden Mütter.“

Daß alle Welt kommendes Jahr nach Kanada blickt, wollen Tierschützer nutzen, um die Aufmerksamkeit auf das dortige Blutvergießen auf den Eisschollen zu richten, um den politischen Druck zu erhöhen, dem Einhalt zu gebieten. Befürworter dieses grausamen Treibens weisen darauf hin, Robben seien für die schwindenden Kabeljaupopulationen verantwortlich. Dafür also so drastische Maßnahmen. Die Überfischung durch den Menschen ist hingegen das Hauptproblem. Biologen berichten, daß Kabeljau lediglich einen kleinen Teil in der Ernährung einer Robbe ausmache. Also gegen die Überfischung der Meere durch den Menschen vorgehen? Weit gefehlt. Wären die Meere eine verspekulierte Bank, würden sie mit Milliardenbeträgen gerettet werden. Aber es geht nur um Tiere. Es regiert der real existierende Zynismus, gerade auch in Kanada.

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