© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/09 13. März 2009

Frisch gepresst

Ständige Vertretung. Nichts verkörperte den deutschlandpolitischen Spagat der Bundesrepublik so deutlich wie ihre „Ständige Vertretung“ in Ost-Berlin: Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil zum Grundlagenvertrag 1973 bestimmt, daß das Deutsche Reich im westdeutschen Teilstaat fortbesteht, die DDR also niemals Ausland sein könne. Die Entsendung eines Botschafters schied somit aus, de facto hatte der Westen jedoch längst die diplomatische Anerkennung des SED-Staates vollzogen. Hans Otto Bräutigam gehörte von Anfang an zu Bonns Mitarbeiterstab in Ost-Berlin, war zunächst Leiter der Politischen Abteilung und später als Staatssekretär Chef der Ständigen Vertretung. In seinen Erinnerungen an diese Tätigkeit kann der ehemalige Berufsdiplomat aus dem vollen schöpfen. Er schildert politische Verhandlungen und Ränkespiele zwischen Ost und West, die Kontaktpflege mit den SED-Oberen oder den  klandestin eingefädelten Häftlingsfreikauf genauso detailliert wie das alltägliche Leben in dieser zuweilen bizarren Außenstelle des „Klassenfeindes“ in der DDR. Bräutigam verschweigt auch nicht das Leiden derer, die versucht hatten, mit einer Flucht in das Vertretungsgebäude der kommunistischen Diktatur zu entkommen. Deren letztes Stündlein hatte bereits geschlagen, als Bräutigam im Januar 1989 seinen Ost-Berliner Posten verließ, obwohl Erich Honecker zeitgleich das Fortbestehen der Mauer um einhundert Jahre verkündete (Ständige Vertretung. Meine Jahre in Ost-Berlin. Hoffmann & Campe, Hamburg 2009, gebunden, 480 Seiten, Abbildungen, 23 Euro).

 

Schabowski. Von allen Führungskräften des SED-Regimes hat sich Günter Schabowski am weitesten und am glaubhaftesten von seinem Handeln in der DDR entfernt und mit seiner Vergangenheit gebrochen. Als ehemaliges SED-Politbüromitglied und Parteichef von Berlin hat er sich bald nach dem Zusammenbruch der Diktatur in Mitteldeutschland auf einen, wie er es nennt, „Fußmarsch aus der ideologischen Verblendung“ begeben. „Wir haben fast alles falsch gemacht“ lautet daher folgerichtig der Titel des Beitrages Schabowskis zum 20. Jahrestag der Wende in der DDR (Econ Verlag, Berlin 2009, gebunden, 281 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro). Im Gespräch mit dem Journalisten Frank Sieren blickt Schabowski auf „die letzten Tage der DDR“ zurück und rechnet schonungslos mit dem rücksichtslosen Verhalten und der Verblendung der SED-Führung ab, ohne dabei seinen eigenen Anteil schönzureden. Mit Blick auf die Wiedervereinigung zieht er eine durchaus positive Bilanz, doch sieht er auch das geeinte Deutschland vor Krisen nicht gefeit: „Die Siegerin Demokratie neigt zu Vergeßlichkeit“, warnt Schabowski.

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