© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/09 20. März 2009

Ralf Georg Reuth vertieft die provozierende These von der linken Herkunft Hitlers
Die Wurzeln des Hasses
Karlheinz Weissmann

Das gerade auf den Markt gekommene Buch von Ralf Georg Reuth – „Hitlers Judenhaß. Klischee und Wirklichkeit“ (Piper) – hat eine gute Presse: Eine „Überraschung“ nennt es die FAZ, die zeige, daß die „Auswertung im Prinzip bekannter Fakten zu bemerkenswerten und weiterführenden Ergebnissen führen kann“, lobt die Welt. Reuth wird damit wieder einmal seinem Ruf als Kenner der Zeitgeschichte und als Autor gerecht, der – bei allem Geschick in der Vermarktung – auch zu provozieren weiß und sich nicht an jede Sprachregelung hält.

Reuth wurde 1952 im oberfränkischen Kronach, nahe der deutsch-deutschen Grenze geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Mittlere und Neuere Geschichte, Altertumskunde und Germanistik. Während seiner Universitätsjahre unternahm er verschiedene Reisen nach Afrika und Asien. 1983 promovierte er bei Andreas Hillgruber in Köln, im folgenden Jahr trat er in die Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein. Seit 1985 berichtete er für die FAZ aus West-Berlin. Unmittelbar nach der Wiedervereinigung wechselte er allerdings zur Welt. Wahrscheinlich reizte ihn ein Angebot des damaligen Chefredakteurs Manfred Geist, der an einer Neupositionierung von Welt und Welt am Sonntag arbeitete. Die Absicht schien anfangs mit den Überlegungen Rainer Zitelmanns zu harmonieren, der das Kulturressort „Geistige Welt“ übernahm und zum Flaggschiff der „Neuen demokratischen Rechten“ machen wollte.

Es war ein offenes Geheimnis, daß Reuth mit dieser Linie sympathisierte, einbinden ließ er sich aber nicht. Vielmehr scheint er früh das Scheitern des Vorstoßes geahnt und deshalb die notwendige Distanz zwischen sich und die Gruppe um Zitelmann gebracht zu haben. Sein viel bespotteter erneuter Wechsel zur Bild-Zeitung entzog ihn nicht nur dem folgenden Desaster, sondern verschaffte ihm ein erhebliches Maß an Unabhängigkeit, das er – wie seine heutige Stellung als Chefkorrespondent der Welt am Sonntag – auch dazu nutzen konnte, sich verstärkt seinen wissenschaftlichen Interessen zu widmen.

Nach der 1990 erschienenen Goebbels-Biographie brachte Reuth eine Edition der Goebbels-Tagebücher, später eine Biographie Hitlers (JF 25/03) und eine Rommels heraus. In jedem Fall ging es ihm um Historisierung des Nationalsozialismus, das heißt vor allem um eine Rekonstruktion der tatsächlichen Ereignisse und der tatsächlichen Rolle, die einzelne Personen spielten, ohne Rücksicht darauf, wessen Empfindlichkeiten berührt werden. In diesen Zusammenhang muß man auch sein neues Buch einordnen, das mit der Generalthese – Hitler sei erst nach Ende des Weltkriegs zum Antisemiten geworden – nicht ganz neu ist, sondern auf Vorarbeiten von Anton Joachimsthaler und Brigitte Hamann aufbaut, aber angesichts von Reuths Kompetenz als Autor und Geschick als Journalist vielleicht die Chance eröffnet, dieser Einsicht endlich zur Verbreitung zu verhelfen.

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