© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/09 27. März 2009

Patrioten und Meuchelmörder
USA: Die Israel-Lobby verhindert Freeman als Chef des Geheimdienstrats / Der Diplomat hat sich um sein Land verdient gemacht
Patrick J. Buchanan

Auf Richard Nixons historischer China-Reise im Jahr 1972 nutzten sein Dolmetscher und ich ein paar freie Stunden und verpflichteten einen Fahrer, uns Peking zu zeigen. Irgendwo habe ich noch Fotos von jener Rundfahrt durch die triste Stadt zu Zeiten von Maos Kulturrevolution. Der Dolmetscher hieß Charles Freeman – derselbe Mann, den Dennis Blair für den Vorsitz des Nationalen Geheimdienstrats (NIC) auserkor, ein Gremium, das Berichte zu entscheidenden Sicherheitsfragen wie dem Nuklearprogramm des Iran erstellt.

Freeman studierte in Yale und Harvard. Er hat seinem Land in Delhi, Taipeh, Bangkok und Peking gedient. Unter Ronald Reagan war er im Außenministerium für Afrika zuständig, unter Bill Clinton als Vizeverteidigungsminister für Fragen der internationalen Sicherheit. Freeman war Botschafter in Saudi-Arabien, als General Norman Schwarzkopf und 500.000 US-Soldaten im Mittleren Osten eintrafen, um Saddam Husseins Armee aus Kuwait zu vertreiben. 1997 wurde er George McGoverns Nachfolger als Präsident des Middle East Policy Council (MEPC).

Er sprach aus, was die wenigsten insgeheim abstreiten: Daß die USA in der arabischen und muslimischen Welt nicht mehr als Fackelträger der Befreiung gelten, liegt vor allem an ihrer blinden Unterstützung für Israels Unterdrückung des palästinensischen Volks. Während seiner MEPC-Zeit beging Freeman aber ein schweres Verbrechen: Er veröffentlichte „The Israel Lobby and U. S. Foreign Policy“ von Stephen Walt und John Mearsheimer (JF 42/07). Das Buch wurde zum Bestseller – und Freeman hatte sich das einflußreiche American Israel Public Affairs Committee (Aipac) zum Feind gemacht. Als bekannt wurde, daß Freeman der Wunschkandidat für den NIC-Vorsitz war, war die Empörung der Israel-Lobby groß. Steven Rosen denunzierte ihn als „ein Lehrbuchbeispiel für die alte pro-arabische Einstellung“, die zu George Marshalls Zeiten im Außenministerium grassiert habe.

Wer ist dieser Rosen? Früher zählte er quasi zum Aipac-Inventar, heute steht ihm ein Spionageprozeß ins Haus. Er soll streng vertrauliche Pentagon-Dokumente an die israelische Botschaft weitergeleitet haben. Rosens Informant Larry Franklin sitzt bereits eine zwölfjährige Haftstrafe ab.

Kaum hatte Rosen zur Hetzjagd geblasen, war die Meute des Kommentariats zur Stelle. Gabriel Schoenfeld beschimpfte Freeman als „China-coddling Israel ba­sher“: Er schmuse mit China und dresche auf Israel ein. In der National Review bezeichnete Rick Lowry ihn als „Chas von Arabien“, einen Diplomaten mit „widerlichen“ Ansichten, einen „Schoßhund“ und „verblendeten Ideologen“, dem es Freude bereite, „sich bei Diktatoren und Terroristen anzubiedern“. Auch in den National Review-Blogs sowie in der New Republic hagelte es Schelte für Freeman: Dieser sei ein „Fanatiker“, ja ein „gekaufter Mann“. Im neokonservativen Weekly Standard schrieb Michael Goldfarb, Freeman sei ein „Marktschreier für die Saudis“, er verteidige „korrupte arabische Staaten, die den Terrorismus schüren und unterstützen“.

Freeman wird als Marktschreier für die Saudis bezeichnet – von Menschen, die als Marktschreier der Israel-Lobby und der Likud-Partei Karriere gemacht haben. Wer von ihnen hat Amerika ein Zehntel dessen an patriotischem Dienst und Loyalität gegeben, was Chas Freeman seinem Land gegeben hat?

Wie lauten die Vorwürfe im einzelnen? Freeman habe als Privatmann ein chinesisches Unternehmen beraten. Ob man Alexander Haig oder Henry Kissinger daraus einen Strick gedreht hätte? Freeman müsse disqualifiziert werden, weil er im MEPC mit saudiarabischen Quellen zusammenarbeitete. Aber wer meldete Bedenken an, als das Außenministerium Dennis Ross vom Washington Institute for Near East Policy, einer vom Aipac geschaffenen Fassade zur Vertretung seiner Interessen, die Zuständigkeit für den Iran anvertraute?

In der Einsicht, daß die Angriffe nicht enden würden, erklärte Freeman seinen Verzicht: „Ich glaube nicht, daß der Nationale Geheimdienstrat effektiv arbeiten könnte, solange sein Vorsitzender unter Dauerbeschuß skrupelloser Menschen stünde, die leidenschaftlich die Ansichten einer politischen Partei eines anderen Landes verfechten.“ Das Land ist Israel, die Partei Likud. Freeman schrak auch nicht davor zurück, die Urheber der Kampagne gegen ihn beim Namen zu nennen: „Die Taktiken der Israel-Lobby loten die Tiefen der Ehr- und Anstandslosigkeit aus. Dazu zählen Rufmord, die selektive Verfälschung von Zitaten, die mutwillige Verzerrung der dokumentierten Wahrheit, die Erfindung von Falschbehauptungen und eine komplette Mißachtung der Wahrheit.“

„Eine Lobby“, so Steven Rosen in einem Aipac-Memorandum, „ist wie eine Nachtblume; sie gedeiht im Dunkeln und stirbt im Sonnenlicht.“ – Der legendäre New Yorker Gouverneur Al Smith (1873–1944) wußte einst ein probates Mittel gegen die Rosens in unserer Mitte: „Die beste Methode, etwas Unamerikanisches zu töten, besteht darin, es offenzulegen, denn Unamerikanisches kann nicht im Sonnenlicht leben.“ Gut gemacht, Botschafter Freeman.

 

Patrick J. Buchanan war mehrfach US-Präsidentschaftskandidat. Er ist Mitbegründer der Zeitschrift „The American Conservative“.

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