© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/09 27. März 2009

Konjunkturpaket für Rentner
Finanzkrise: Die gesetzliche wie die private Altersvorsorge stehen jetzt vor zusätzlichen Herausforderungen
Jens Jessen

Ab Juli erhalten die etwa 20 Millionen Rentner mitten in der Wirtschaftskrise eine nennenswerte Erhöhung ihrer gesetzlichen Altersbezüge. Im Westen ist das Plus von 2,4 Prozent die höchste Rentenerhöhung seit 15 Jahren, in den neuen Ländern mit 3,3 Prozent die höchste seit zwölf Jahren. Der zu einem Finanzdienstleister gewechselte ehemalige Wirtschaftsweise Bert Rürup ist davon angetan. Das gilt auch für die ab Juli folgende Senkung der Beiträge zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) um 0,3 Prozentpunkte. Den Rentnern stehen damit ab Mitte des Jahres 5,6 Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Da sie eine höhere Konsumquote als andere Bevölkerungsgruppen haben, dürfte dies die Konjunktur beleben.

Private Zusatzversorgung für das Alter mit Steuerbonus

Da der „Riester-Faktor“, der die lohnbezogene Rentenanpassung schmälert (Paragraph 68 SGB VI), durch den Bundestag für 2008 und 2009 ausgesetzt wurde, gibt es auch herbe Kritik. Der Dämpfungsfaktor sei unverzichtbar, um die Beitragssatzstabilität der GRV zu gewährleisten. 2002 trat die Neuausrichtung des Altersicherungssystems in Kraft. Die Folgen der demographischen Entwicklung – so der rot-grüne Gesetzgeber –, die sich aus der steigenden Lebenserwartung und der sinkenden Geburtenrate ergeben, ließen sich ohne einschneidende GRV-Änderungen nicht bewältigen. Immer weniger Erwerbstätige müssen für immer mehr Rentner die Rente erarbeiten – 1995 kamen auf 100 Beitragszahler knapp 38 Rentner, 2030 sollen es laut Prognosen fast 55 sein.

Das Rentenniveau wurde deshalb vorsorglich abgesenkt, minimale Erwerbminderungsrenten ersetzten zudem die bisherigen Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten. Um die Versorgungslücken schließen zu können, subventioniert der Bund seit 2002 die private Zusatzversorgung, die sogenannte Riester-Rente und die betriebliche Altersversorgung. Dieses Geschäftsfeld der Finanzindustrie hat damit enorm an Bedeutung gewonnen – insgesamt 12,2 Millionen Riester-Verträge sollen Assekuranzen, Banken, Fondsanbieter und Bausparkassen bislang verkauft haben.

Bis 2001 wurde die gesetzliche Rente um den Wert erhöht, um den die Löhne und Gehälter der Erwerbstätigen durchschnittlich im Vorjahr gestiegen waren. Jetzt werden Abzüge zur Dämpfung der jährlichen Rentenanpassung vorgenommen, um die GRV handlungsfähig zu erhalten. Gleichzeitig ist es auch ein Druckmittel für die Erwerbstätigen, eine private Zusatzvorsorge aufzubauen. In den Genuß der Riester-Förderung kommen insbesondere GRV-Pflichtversicherte. Durch das 2005 in Kraft getretene Alterseinkünftegesetz wurden weitere Anreize für die private Rente geschaffen und die Besteuerung privater und gesetzlicher Renten in ein nachgelagertes System überführt.

Beim „Riester-Faktor“ wurde angenommen, daß jeder Arbeitnehmer 0,6 Prozent seines Bruttoeinkommens in einen Riester-Vertrag investiert. Diese Zusatzbelastung der Erwerbstätigen sollten auch die aktuellen Rentner mit tragen. Die jährlich im Juli verkündete Rentenanhebung soll daher eigentlich um den Riester-Faktor verringert werden. Zudem müssen die Rentner seit April 2004 den vollen Beitrag zur Pflegeversicherung aus dem eigenen Portemonnaie bestreiten. Zahlten die Rentner bis Ende 2003 auf monatliche Betriebsrenten, Versorgungsbezüge und Pensionen Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung zur Hälfte, müssen sie seit 2004 auf Betriebsrenten und Nebeneinkünfte den vollen GKV-Beitrag entrichten.

Nicht zu vergessen ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozent ab 2007, die gerade die Rentner überproportional getroffen hat. Damit nicht genug. Die durchschnittliche jährliche Teuerungsrate zwischen 1998 und 2008 betrug 1,55 Prozent, die durchschnittliche jährliche Rentenerhöhung nur 0,83 Prozent. Der reale Bruttowert der Renten hat sich durch die genannten Maßnahmen in den elf Jahren um mehr als zwölf Prozent verringert.

Die GRV lebt von den laufenden Beitragszahlungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die für die Rentenzahlungen direkt verwandt werden. Die Beiträge werden nicht am Finanzmarkt angelegt, sondern im Umlageverfahren an die Rentner durchgereicht – insofern ist die GRV auch in der Finanzkrise sicher. Voraussetzung für laufende Zahlungen an die Rentner sind aber gut verdienende Beitragszahler in ausreichender Menge. Durch die Finanzkrise kann die GRV also nur dann gefährdet werden, wenn die Banken- und Finanzkrise auf den Arbeitsmarkt durchschlägt.

Höhe der gesetzlichen Rente ist nur bedingt sicher

Dann könnten die Beitragseinnahmen so stark schrumpfen, daß die Umlage für die Zahlung der Renten nicht mehr ausreicht. Eine Kürzung der Renten wäre ebenso denkbar wie staatliche Zuschüsse, um zu einem neuen Gleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben zu kommen. Doch schon 2006 stammten über 61 der 212 Milliarden Euro an GRV-Ausgaben aus Steuermitteln des Bundes.

Die private Altersvorsorge durch Versicherungen befindet sich bisher nicht in ernsten Schwierigkeiten. Im Falle der Insolvenz eines Versicherers (wie 2003 bei der Mannheimer Leben) springt die Auffanggesellschaft Protektor ein. Jedoch wurde schon 2007 die Mindestrendite neu abgeschlossener Lebens- und Rentenversicherungsverträge auf 2,25 Prozent gesenkt. Bis 2000 lag der Garantiezins bei 4,0 Prozent. Die Überschußbeteiligung war ohnehin immer variabel. Wenn allerdings die Finanzkrise anhält und das Zinsniveau auf Dauer niedrig bliebe, kämen die Versicherungen an Absenkungen der zugesagten Renten nicht vorbei.

Steigt das Zinsniveau, ist zwar mit höheren Erträgen für die Versicherungskunden zu rechnen. Weil die Zinssteigerungen aber häufig die Folge von inflationären Tendenzen sind, sollte mehr auf den Realzins geachtet werden als auf den Nominalzins.

Im Vergleich zur herkömmlichen privaten Altersvorsorge ist die Riester-Rente theoretisch noch sicherer, weil der Gesetzgeber vorschreibt, daß zum Renteneintritt mindestens das eingezahlte Kapital mit allen staatlichen Zulagen zur Aus- bzw. Rentenzahlung bereitliegen muß. Dies allein macht die Riester-Rente in Inflationszeiten jedoch nicht wetterfest.

Wer beim „Riestern“ auf vermeintlich renditestarke Fonds statt auf eine klassische Rente, einen Bank- oder Bausparvertrag gesetzt hat, dem dürfte schon in diesem Jahr beim Blick ins Depot Hören und Sehen vergehen. Und wer als Selbständiger auf eine fondsgebundene Rürup-Rente gesetzt hat, ist vollständig vom Erfolg der Aktien abhängig. Bei einem Zusammenbruch des Marktes ist seine kapitalgedeckte Privatrente nicht garantiert.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen