© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/09 17. April 2009

Wirtschaftspolitik
„Abwrackprämie“ als Unwort
Dieter Stein

Als Unwort des Jahres sollte 2009 „Abwrackprämie“ gewählt werden. Wie in einem Rausch werden derzeit Hunderttausende noch fahrtüchtige Altwagen aus dem Verkehr gezogen und verschrottet, weil der Staat mit einer Prämie von 2.500 Euro jeden Bürger belohnt, der sich ein neues für diesen Altwagen kauft. Krise war gestern. Die Deutschen kaufen Autos, daß sie ihnen zu den Ohren wieder herauskommen. Wirtschaftsexperten der Bundesregierung hatten zu diesem Mittel gegriffen, um einer schockartigen „Konsumzurückhaltung“ entgegenzuwirken. Das ist offenbar nun „nachhaltig“ gelungen, wie eines der Modeworte unserer Zeit lautet.

Inzwischen wächst sich diese „Abwrackprämie“ zu einem gespenstischen Monstrum aus. Um die gute Stimmung noch bis in die Nähe der Bundestagswahl im Herbst zu verlängern, wurde der Fördertopf noch einmal von 1,5 auf 5 Milliarden Euro aufgefüllt, so daß dann Millionen Autos staatlich gefördert ins Jenseits befördert werden können.

Damit zeigt sich im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise ein in mehrfacher Hinsicht perverses Gesicht unserer Gesellschaft: Erstens haben sich aus kurzfristiger Gier auf astronomische Profite wie in einem primitiven Pyramidenspiel die Zentren der Finanzwirtschaft in Geschäfte eingelassen, die auf einen riesigen Betrug aufgebaut waren. Dies geschah nicht zufällig in einem kulturellen Umfeld, in dem es staatenübergreifend zum Normalzustand geworden ist, über die eigenen Verhältnisse zu leben, auf Pump und zu Lasten kommender Generationen mehr Geld auszugeben als man einnimmt. Nun ist eine große Blase geplatzt und wir nähern uns dem Boden der Realitäten an.

Statt nun dafür zu sorgen, daß wir uns wieder mit Bodenhaftung fortbewegen und dies auch um den Preis einer Phase der Stagnation und auch bescheidener Korrekturen nach unten, überschlagen sich dieselben Politiker, die eben noch die Klimakatastrophe haben kommen sehen, daß jetzt eine Konsumkatastrophe kommen könnte. Man hat nicht Angst davor, daß die Welt mit zuviel Müll überschwemmt werden könnte, daß zu viele Autos die Luft verpesten, daß Kinder mit noch mehr billigem Elektro- und Plastikschrott überschüttet werden. Nein, sie haben nicht Angst vor dem „immer mehr“, sondern vor „weniger“ und Bescheidenheit.

Gab es nicht einmal die Warnung eines konservativen Ökologen Namens Herbert Gruhl vor dem Wachstumswahn der westlichen Zivilisation, beschreibt Ernst Jünger in seinen Reisetagebüchern nicht eindringlich, wie Beton und Asphalt die Kulturlandschaften der Welt auffressen und die Einkaufsparadiese die Tempel der alten Götter als Kultstätten ablösen?

Die „Abwrackprämie“ ist ein entlarvendes Wort für unser Wirtschaften: Belohnt wird nicht, etwas Bleibendes zu schaffen und für die Dauer zu erhalten, sondern Verschleiß, Verbrauch, Konsum, Vernutzung sind die Gebote der Zeit – möglichst viel, immer mehr, in immer kürzerer Zeit. Die Krise als Chance zum Umdenken, wird sie verspielt?

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