© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/09 24. April 2009

„Interaktiv ist der Unterschied“
In dieser Woche startet die JF ihre neue Netzseite. Könnte sie den Webby Award, den Internet-Oscar, gewinnen?
Moritz Schwarz

Herr Davies, jährlich verleihen Sie den sogenannten Internet-Oscar „Webby-Award“, die bedeutendste Auszeichnung, die die Branche zu vergeben hat. Was müßte die JUNGE FREIHEIT tun, um mit ihrer neuen Netzseite diesen Preis zu gewinnen?

Davies: Dafür müßte der neue Internet-Auftritt Ihrer Zeitung international richtungsweisend für die ganze Branche sein. Allerdings, wenn Ihre neue Seite Mittwochabend erst gestartet ist, kommen Sie leider zu spät, denn die Nominierten für dieses Jahr stehen seit kurzem schon fest.

Hätten wir 2010 Chancen?

Davies: Sicherlich ist Ihre neue Seite sehr attraktiv, ob es allerdings für einen Webby-Award reicht ... na ja, da müßten Sie schon „sehr gut“ sein. Wir hatten 2008 immerhin 10.000 Bewerbungen aus über sechzig Ländern. Wen wir auszeichnen, der muß also wirklich „über dem Durchschnitt“ liegen, muß Maßstäbe setzen in Sachen Gestaltung des Inhalts, visuelles Design, Funktionalität und Artwork. Manche Gewinner bestechen dabei durch eine außergewöhnlich schöne Gestaltung, andere sind eher unauffällig, punkten aber zum Beispiel durch ihre innovative Handhabung.

Unter den Nominierten 2009 sind acht deutsche Wettbewerber – allerdings keine aus der Wettbewerbskategorie „News“. Sind deutsche Online-Narichtenportale nicht gut genug?

Davies: Es stimmt, einen deutschen Preisträger hatten wir in dieser Kategorie in der Tat noch nicht. Dabei sind zumindest mir auch deutsche Angebote wie etwa Spiegel online  durchaus ein Begriff. Man muß zugeben, daß es ein wenig wie beim Hollywood-Oscar ist, de facto dominieren die amerikanischen Wettbewerbsbeiträge – nicht zuletzt weil die Jury eben englischsprachig ist. Aber gerade deshalb freuen wir uns um so mehr über jeden europäischen bzw. außeramerikanischen Bewerber, denn wir wollen ja ein weltweiter Preis sein. Immerhin ging zum Beispiel 2002 der Preis für die Kategorie „News“ an das Angebot von BBC News und damit nach Europa. Und es gab in anderen Kategorien auch schon einige deutsche Gewinner. 2007 etwa siegte Daimler-Benz in der Kategorie „Events“ mit der Seite www.e-class-experience.com.

Welche Voraussetzungen muß ein Nachrichtenportal konkret erfüllen, um zu siegen?

Davies: Bei einer Zeitung bzw. einem Nachrichtenportal geht es – ganz klassisch – in erster Linie um „Content“, also um den Inhalt. Klar, Sie können auch einen Preis für Ihre Gestaltung gewinnen, aber wenn Sie den Preis für die beste Nachrichtenseite gewinnen wollen, dann geht es vor allem darum, was Sie als aktuelle Wochenzeitung, also als Nachrichtenmedium wirklich zu bieten haben. Das ist auch in Zeiten des Internet  nicht anders als zu der Zeit, als das moderne Zeitungswesen vor rund zweihundert Jahren entstanden ist. Gemeint ist übrigens nicht, den besten Inhalt „für die ganze Welt“ zu bieten, sondern für Ihre spezielle Zielgruppe. Wenn Sie eine konservative Zeitung sind, dann geht es nicht darum, die beste Zeitung in Deutschland zu sein, sondern die beste konservative Zeitung dort – die Nummer eins in Ihrem Metier.

Gut, aber das galt auch schon vor dem Internet-Zeitalter.

Davies: Exakt, aber das ist ja auch nicht alles, was wir bewerten. Ebenso wichtig ist die Frage, wie ansprechend und nutzerorientiert präsentieren Sie diese Inhalte? Visuelles Design, Übersichtlichkeit und klare Strukturierung sind Trumpf. Und das dritte entscheidende Kriterium für eine Netzseite ist: Interaktivität! Heute wollen die Nutzer nicht mehr einfach nur lesen, sie wollen Nachrichten kopieren, archivieren, kommentieren, verschicken, mit anderen Lesern oder mit der Redaktion selbst kommunizieren und per Dossier oder Verlinkung tiefer ins Thema einsteigen. Beziehen Sie Ihr Publikum also mit ein! Darin liegt der Unterschied zwischen gestern und morgen, zwischen Print und Online. 

Seit der Web 2.0-Revolution gilt Interaktivität als höchster Wert. Wird sie eines Tages wichtiger sein als der Inhalt?

Davies: In der Tat verleiten die ständigen Innovationen dazu, sich mehr auf das Mittel zu konzentrieren als auf den Zweck. Langfristig aber verliert jede Neuerung irgendwann einmal den Reiz, und dann entscheidet wieder, wer wirklich Qualität zu bieten hat.

Die JF bietet auf der neuen Seite auch Blogs an. Für diese Weblogs verleihen Sie gleich in drei Kategorien den Webby Award.

Davies: Blogs gehören heute nun mal unverzichtbar zu einem gesunden Internet-Ökosystem. Das mag in bezug auf ein Nachrichtenportal im ersten Moment erstaunen, denn sie stellen ja keine objektive Nachrichtenquelle dar, erfüllen also nicht die Primärfunktion eines Nachrichtenmediums. Allerdings gehört seit jeher zum Zeitungsgeschäft auch der Kommentar, also die Bewertung der Neuigkeit. Die Bindung an einen Blogger ist dabei aber viel persönlicher als die doch recht anonyme Kommentarspalte einer Zeitung. Blogs betonen den persönlichen Aspekt des Kommentierens. 

Der bekannte US-Radiomoderator Howard Stern nennt Blogs „pure Zeitverschwendung“. Erwachsene Menschen, meint er, sollten sich damit gar nicht beschäftigen.

Davies: Sicher hat Stern in vielen Fällen recht, so manches im Internet lohnt nicht die Mühe, sich dem zu widmen. Aber das ist im Fernsehen, Radio und in der Presse nicht anders. Mir ist sein Urteil zu pauschal. Zeigen Sie ihm zum Beispiel mit Ihrem neuen Blog, daß er unrecht hat!

Die JF bietet nun auch Twitter an. – Allerdings weiß eigentlich niemand so recht, wozu das genau gut ist.

Davies: Twitter ist keineswegs so überflüssig, wie  viele meinen, sondern eine interessante Sache. Natürlich, ob es am Ende wirklich bestehen bleibt, ob wir es also brauchen, muß  sich zeigen. Aber warum sollte man es nicht ausprobieren und mal sehen, was sich damit alles machen läßt?

Die Inernet-Branche erzeugt ständig Innovationen, deren einziger „Sinn“ oft darin besteht, neu zu sein. Entsteht nicht eine Innovationsblase, die irgendwann platzen muß und das Internet entzaubert?

Davies: Ich sehe das nicht so kritisch, ich sehe das Internet vielmehr als eine große Spielwiese, auf der ständig Neues ausprobiert wird. Manches bewährt sich, anderes nicht. Die Auslese findet von alleine statt. Heute geht alles nur schneller, das macht manchen ein mulmiges Gefühl, weil sie das Tempo nicht gewöhnt sind.

All diese Angebote beanspruchen inzwischen so viel Zeit, daß die meisten Leute davon überfordert sind. Führt sich die Kommunikation inzwischen nicht selbst ad absurdum?

Davies: Diese Frage wird schon seit Beginn der modernen Kommunikation gestellt. Schon lange ist es nicht mehr für alle möglich, allem zu folgen. Es ist nicht nötig, daß wir alle Angebote nutzen, statt dessen wird sich jeder das für ihn Nützliche heraussuchen. Das Internet ist voller Nischen.

Brauchen die USA einen Internet-Minister, wie das zunächst unter Präsident Clinton und jetzt wieder unter Obama diskutiert wird?

Davies: Auch wenn er sich noch nicht Minister nennt, Obama hat mit Aneesh Paul Chopra jüngst immerhin einen Chief Technology Officer auf Kabinettsebene ernannt. Der CTO soll technologische Innovationen fördern. Ich finde das eine hervorragende Idee! Barack Obama bezeichnen viele inzwischen als den ersten Internet-Präsidenten, weil er der erste Präsident ist, der wirklich erkannt hat, wie mächtig das Netz ist. Sein Konzept „Open Democracy“, also die Idee, daß durch das Internet eine direktere Beteiligung der Bürger an unserer Demokratie möglich ist, ist eine starke Vision. Zweifellos liegt unsere Zukunft auch im Internet, und keiner sollte den Fehler begehen, da den Anschluß zu verpassen.     

 

David-M. Davies: Der 34jährige ist Direktor der International Academy of Digital Arts and Sciences (IADAS), die jährlich die „Webby Awards“, die „Oscars des Internet“, verleiht (Logo unten).

 

Webby Awards: Seit 1997 wird der „Oscar des Internet“ (Der Spiegel) als „höchste Ehre des Internet“ (New York Times) bzw. „einer der prestigeträchtigsten Preise der Welt“ (BBC) von der International Academy for Digital Arts and Sciences in New York (www.iadas.net) verliehen. Zur Jury, die nach einem ähnlichen Prinzip wie die des Hollywood-Oscars bestimmt wird, zählen etwa Musikerlegende David Bowie, „Simpsons“-Erfinder Matt Groening, TV-Starkoch Jamie Oliver oder Virgin--Gründer Richard Branson. Ausgezeichnet werden Bewerber in den vier Hauptkategorien „Website“, „Interactive Advertising“, „Mobile Content“ und „Film/Video“  sowie in über 100 Unterkategorien. Die Gewinner werden im Mai bekanntgegeben (www.webbyawards.com).

 

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