© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/09 24. April 2009

Anschlag an der Heimatfront
Linksextremismus I: Nach der Zerstörung des Fahrzeugparks der Offiziersschule des Heeres in Dresden tappt die Polizei im dunkeln
Marc Zöllner

Nach dem Brandanschlag auf die Albertstadt-Kaserne in Dresden geht die Polizei weiterhin von einem linksradikalen Hintergrund aus. Ein mittlerweile aufgetauchtes Bekennerschreiben habe sich jedoch als Plagiat von Trittbrettfahrern erwiesen.

Bei dem Anschlag am frühen Ostermontag drangen Unbekannte in das Gelände der Offiziersschule des Heeres ein, überwanden den zwei Meter hohen Stacheldrahtzaun und legten Zeitzünder und Brandbomben aus. Durch das Feuer wurden mehr als 42 Personen- und Lastkraftwagen des Fuhrparks der Bundeswehr sowie ein Hubschrauberhangar komplett zerstört. Wie Ermittlerkreise verlauten ließen, hätten die Täter hierbei zentnerschwere Gerätschaften und Kanister auf das Gelände geschleust. Jedoch zündeten nur drei der Brandbeschleuniger, so daß der Schaden wohl geringer als geplant ausfiel.

Wie die Täter in die als sicherste Einrichtung Dresdens geltende Kaserne vordringen konnten, darüber gibt es noch keine genauen Erkenntnisse. Auch über die Art der verwendeten Brandsätze schweigt sich die eigens zur Aufklärung des Anschlags eingesetzte Sonderkommission Albertstadt aus ermittlungstechnischen Gründen aus. Fest steht lediglich, daß weder das Wachpersonal, ein zur Kosteneffizienz eingesetzter privater Sicherheitsdienst, noch die Sicherungen an den Zäunen die Täter von ihrem Werk abhalten konnten. Zwar werde sogar vor dem Gebrauch von Schußwaffen gewarnt. „Wer jedoch genügend kriminelle Energie aufbringt“, sagte Kasernenkommandant Johannes Derichs, „kann den Zaun einfach übersteigen.“

Inzwischen zog die Bundeswehr erste Konsequenzen aus der offenbar desolaten Sicherheitslage und entsandte die Wachberaterkommission des Kölner Heeresamtes nach Dresden.

„Soldaten und Kriege“, so heißt es in dem Schreiben der Trittbrettfahrer, die sich „Initiative für ein neues blaues Wunder“ nennen, „haben auf der Welt nichts mehr zu suchen. Um menschenverachtendes Kriegsgerät untauglich zu machen, haben wir es einfach angezündet.“ Im Schreiben wird weiterhin Bezug auf die Beschlüsse des linksalternativen Fests „Bunte Republik Neustadt“ in Dresden sowie auf den Tod des 1991 ermordeten Afrikaners Jorge Gomodai genommen.

Aufgrund seines verworrenen Inhalts sowie der Art des Versandes gilt er bei den Ermittlern jedoch als nicht authentisch. Extremisten bedienten sich in der Regel nicht der herkömmlichen Postwege, sondern nutzten vielmehr das Internet, um ihre Botschaften zu verbreiten. Das Schreiben selbst traf erst zwei Tage später in den Redaktionen des MDR, der Sächsischen Zeitung sowie der Frankfurter Rundschau ein, zu einem Zeitpunkt also, als Tat und erste Ermittlungskenntnisse bereits in den Medien Verbreitung fanden. Auch enthielt es keinerlei Hinweis auf die Durchführung des Anschlags oder auf zukünftige Pläne.

Von den Tätern fehlt also noch immer jede Spur. Es kursieren lediglich Mutmaßungen bezüglich autonomer Gruppen innerhalb der Dresdner Neustadt. Die Gegend um den Albertplatz entwickelte sich nach der Wende aufgrund ihrer Infrastruktur, der günstigen Verkehrsanbindung und der geringen Mieten schnell zum Szenetreff für Studenten, Alternative und Linksaktivisten. Während des alljährlichen Stadtteilfestes, der „Bunten Republik Neustadt“, kommt es regelmäßig zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Linksradikalen, Hooligans und der Polizei. Ganze Straßenzüge mußten aufgrund von nächtlichem Vandalismus bereits mit Videokameras überwacht werden.

Die Neustädter selber wollen hingegen keine Verbindung zwischen sich und terroristischen Gruppen wie den Urhebern des Anschlags auf die Albertstadt-Kaserne sehen. „Die wilden Jahre der Neustadt sind vorbei“, sagt Thomas Böhme, der seit Jahren in dem Stadtteil ein Restaurant betreibt. Aufgrund steigender Mieten seien viele Alternative weggezogen. „Unser Stadtteil zieht immer mehr Yuppies, Anwälte und Architekten an. Von denen wird sich keiner in solche Taten verwickeln lassen.“ Er selbst könne sich nicht vorstellen, Tür an Tür mit dem möglichen Täterkreis zu wohnen. Und auch andere Bewohner resümieren, es müsse sich wohl um jemanden von außerhalb handeln: außerhalb des Neustädter Szeneviertels – nicht außerhalb Dresdens. Denn „strategisch derart bedeutend“, so Böhme, „ist die Offiziersschule nun auch wieder nicht.“

Foto:  Spurensicherung nach dem Brandanschlag auf Bundeswehrfahrzeuge in Dresden: Der private Sicherheitsdienst konnte die Täter nicht aufhalten

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