© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/09 01. Mai 2009

„Davon haben wir nichts gewußt“
Schülerproteste: Wie linksradikale Gruppen nichtsahnende Jugendliche für ihre Ideologien instrumentalisieren
Hinrich Rohbohm

Die haben uns verschaukelt“, sagt Lukas. Bitterkeit schwingt in seinen Worten mit. Der Zehntkläßler der Hannoveraner Leibnizschule blickt nachdenklich zu Boden. Er fühlt sich als Spielball der Politik mißbraucht. Das Abitur soll künftig in zwölf statt in dreizehn Jahren absolviert werden. Lukas hat eigentlich nichts dagegen, sieht sogar einige Vorteile in der Reform. „Die Umstellung ist aber das Problem“, erklärt der 15jährige Gymnasiast. Zuviel Stoff müsse er nun in zu kurzer Zeit lernen. Da seien in der Politik Fehler gemacht worden. Stundenausfall und zu wenig Lehrer sorgen für zusätzlichen Frust.

Als im November vorigen Jahres der deutschlandweite Aufruf zu Schülerprotesten auch in Hannover bekannt wird, stößt dies bei vielen Schülern auf offene Ohren. Schnell war der Entschluß zur Teilnahme gefaßt. „Aber viele haben auch einfach nur mitgemacht, um schulfrei zu haben“, verrät die Achtkläßlerin Hannah vom Ricarda-Huch-Gymnasium. Die Schülervertretung hatte Flugblätter in die Schließfächer der Schüler gelegt, in denen zum Schulstreik aufgerufen wurde. Zudem hätten auch die Lehrer im Unterricht für die Demonstration  geworben. „Worum es geht, wußte kaum einer so genau“, gibt die 13 Jahre alte Schülerin zu.

Lukas wußte es – dachte er. Doch er und seine Mitschüler werden ein zweites Mal enttäuscht. Im Protestzug sind plötzlich Transparente zu sehen, auf denen die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems  gefordert wird. „Aber das war gar nicht unser Anliegen“, meint Julian (16), ein Mitschüler von Lukas. Fahnen der Linksjugend „solid“ werden geschwenkt, autonome Gewalttäter marschierten auf. Mehrere hundert Demonstranten brechen aus der Protestkundgebung auf dem Opernplatz aus, marschieren zum Landtag, wo sie die Bannmeile des Parlaments durchbrechen. Vermummte Linksextremisten lassen Steine fliegen, Fensterglas zersplittert.

Spätestens jetzt geht es nicht mehr um bessere Lernbedingungen, kleinere Klassen oder kostenlose Schulbücher. Jetzt geht es um Gewalt und Randale, um den Haß kommunistischer Gruppierungen auf den Staat, auf die Bundesrepublik Deutschland und auf das Land Niedersachsen. Nur einem Großaufgebot an Polizei ist es zu verdanken, daß die linksextremen Gewalttäter nicht den Landtag stürmen. Der Vorsitzende des niedersächsischen Landesschülerrats, Patrick Ziemke, distanziert sich offiziell von  den Ausschreitungen. Teilnehmer, die dem linksextremen Spektrum angehörten und dem Antifa-Block zuzuordnen seien, hätten sich einfach an die Spitze der Demonstration gesetzt und den Protestzug in Richtung Landtag gelenkt. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn die von den Medien stets nebulös als Organisatoren der Schülerdemonstration genannten Verantwortlichen weisen in nicht wenigen Fällen eine deutliche politische Einfärbung auf. Es sind die Jungen Liberalen, die mit einer Presseerklärung am Tag nach den Krawallen den Nagel auf den Kopf treffen. „Wer einen Pakt mit dem Teufel eingeht, muß sich nicht wundern, wenn er von ihm mit in die Hölle gezogen wird“, heißt es da. So ganz unrecht scheint der FDP-Nachwuchs nicht zu haben. Bundesweit werden die Schülerproteste von dem Bündnis „Schulaction – Bildungsblockaden einreißen“ koordiniert. Doch wer sich dahinter verbirgt, bleibt für die meisten Schüler unklar. Auf dessen Internetseite findet sich weder ein Impressum, noch wird sonst eine verantwortliche Person erwähnt. Für Fragen zur Netzseite ist eine E-Post-Adresse von Indymedia vermerkt, einem laut Verfassungsschutz verstärkt von Linksextremisten genutzten Internetportal.

 Tatsächlich findet sich bei Indymedia mehr zu den deutschlandweit koordinierten Protesten. In einem Artikel vom 25. April vergangenen Jahres wird dort „solid“, die Jugendorganisation der Linkspartei, als Urheber der Schülerinitiative „Bildungsblockaden einreißen“ genannt. Zu den Mitbegründern zählen auch die Jugendantifa sowie die kommunistische Jugendorganisation  „Revolution“.  Auf der Internetseite von Schulaction werden Interessierte hierüber ebenso im unklaren gelassen wie beim Aufruf zum Schülerstreik selbst. „Davon haben wir nichts gewußt“, empört sich Lukas. Ebensowenig bekannt dürfte vielen Schülern die politische Ausrichtung ihres Landesschülerrats sein. So ist dessen Vorsitzender nicht nur Unterzeichner für die Initiative „Gesamtschule jetzt“, sondern zudem stellvertretender Landesvorsitzender der jungsozialistischen Schülergruppe. 

Die bundesweiten Proteste hatten auch in Berlin zu Krawallen geführt. Linksextreme stürmten die  Humboldt-Universität und verwüsteten eine Ausstellung über jüdische Unternehmen  während der NS-Zeit. Lee Hielscher, Vorsitzender einer ominösen Landesschülervertretung (LSV), hatte dies zunächst verharmlosend einen „Ausdruck der Wut“ genannt, die bei den Schülern ausgelöst worden sei. Tatsächlich handelt es sich bei dem Gremium auch nicht um die gesetzliche Vertretung der Berliner Schülerschaft. Das legitime Gremium ist der Landesschülerausschuß. Hielschers LSV hingegen, der inhaltlich durchgehend linke Positionen vertritt, erhob sich selbst zum Sprachrohr der Schülerschaft. Und weitere Krawalle dürften folgen.

Vom 15. bis 19. Juni ist ein weiterer deutschlandweiter Bildungsstreik geplant. Dann werden auch die Studenten auf die Straße gehen. Daß auch dort mehr Ideologie statt Bildung im Vordergrund stehen wird, lassen die Verantwortlichen schon jetzt erkennen: In einer Erklärung heißt es bereits, daß Studentenverbindungen „jeder Couleur“ im Bündnis keinen Platz haben.

Foto:  Schülerdemonstration im November 2008 in Hamburg: Mit der Antifa für bessere Bildung?

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