© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/09 01. Mai 2009

Frisch gepresst

Hans Grimm. „National-konservative“ Schriftsteller werden in der zünftigen Germanistik gern als „Wegbereiter des Faschismus“ abgehakt. Wie es ihnen aber im „Faschismus“ erging, scheint eine Nachfrage nicht wert. Ausnahmen bestätigen bisher erst die Regel. Dazu zählen Manfred Frankes umfangreiche Studie über den „unversehens zum Oppositionellen“ gewordenen Ernst Wiechert (JF 5/03) und nun die im gleichen Verlag veröffentlichte Darstellung der „Ambivalenzen im politischen Denken und Handeln des Schriftstellers Hans Grimm“ (Grimm ohne Glocken. SH-Verlag, Köln 2009, broschiert, 200 Seiten, Abbildungen, 19,80 Euro). Franke verspricht neue Erkenntnisse aufgrund vertiefter Recherche im Grimm-Nachlaß. Doch sehr weit über das, was uns der Verfasser von „Volk ohne Raum“ (1926) darüber in seinen Nachkriegsrückblicken selbst verraten hat, oder sehr weit über das, was Annette Gümbels Grimm-Monographie 2003 (JF 35/04) eruierte, gelangt Franke nicht hinaus. Vor allem der hier – in einer ohnehin sehr zitatenseligen Arbeit – breit dokumentierte Konflikt zwischen Grimm und seinem einstigen Bewunderer, Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, zeitigt Wiederholungs- und Ermüdungseffekte. Ungeachtet der „Ambivalenzen“ kommt Franke zudem, auch mit Blick auf Grimms öffentliches Eintreten für die neo-nationalsozialistische SRP nach 1950, zu einem „eindeutigen“ Urteil über den „Schriftsteller-Dichter“, wobei der Germanist allenfalls dessen „womöglich sklerotisch bedingte Starrköpfigkeit“ als mildernden Umstand akzeptiert. 

 

Besiegte. Daß den Deutschen zwei Weltkriegsniederlagen zum Heil ausgeschlagen sind, steht zumindest unter Wirtschaftshistorikern fest. Nach 1918 wie 1945 gingen die veralteten Produktionsstätten als Reparationsleistung an die Sieger. Gerade nach dem Zweiten Weltkrieg bestätigte sich daher die Volksweisheit, „Alles neu macht der (8.) Mai“ in ungeahntem wirtschaftswunderlichem Ausmaß. Von solchen allerdings vornehmlich sozialpsychologisch fruchtbaren Innovationspotentialen handelte zuletzt Wolfgang Schivelbuschs vergleichende Untersuchung über „Die Kultur der Niederlage – der amerikanische Süden 1865. Frankreich 1871. Deutschland 1918“ (2. Auflage Frankfurt 2007). Der Germanist Baal Müller schließt hier schon mit dem Titel seines Essays „Der Vorsprung der Besiegten“ an (Identität nach der Niederlage. Edition Antaios, Schnellroda 2009, gebunden, 96 Seiten, 8,50 Euro). Was nicht heißt, daß er sich nicht ausführlich den Schattenseiten dieser „Kultur“ widmet, die, abgesehen von der Volkswirtschaft, vor allem seit 1945 und erst recht seit 1968 wohl überwiegen, denkt man nur an die endlose „Schuldreflexion als Teil des ‘Niederlagedenkens’“.

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