© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/09 08. Mai 2009

Interessante Fußnoten
Mutig und hochanständig: Walter Kempowskis Widerstand gegen die Ausplünderung Deutschlands
Thorsten Hinz

Hammerhart schlug die Überschrift im FAZ-Feuilleton zu: „Walter Kempowski war doch ein Spion“! Ein Spion? Das klingt fast nach Spitzel, nach einem halbseidenen Typen, der das in ihn gesetzte Vertrauen – in diesem Fall: der sowjetischen Genossen – mißbraucht hat. Denn soviel war bisher bekannt: Kempowski hatte nach dem Krieg, mit 17, 18 Jahren, die Amerikaner mit Informationen über die Demontagen versorgt, die die Russen über den Rostocker Hafen abtransportierten. Dafür wurden seine Mutter, sein Bruder Robert und er selbst für lange Jahre ins Zuchthaus gesteckt.

Laut den Recherchen des amerikanischen Germanisten Alan Keele seien „die Kempowskis mehr in Spionageangelegenheiten involviert (gewesen), als man das bisher dachte“. Der junge Kempowski habe sich „ein angenehmes Leben in Wiesbaden, das er von den Amerikanern dann als Gegenleistung bekam“, sichern wollen. Woran FAZ-Redakteur Edo Reents die Frage knüpft, wie es sein könne, „daß sich das Bild vom unschuldig Verfolgten so lange hielt“ – zu Unrecht, wie die Frage insinuiert. Welch ein Scharfsinn! Was für eine historische Kompetenz, die sich hier niederschlägt!

Muß Kempowskis Biographie nun umgeschrieben, das Bild vom integren Autor umgestürzt werden? Mitnichten! Die Biographie ist lediglich um ein paar interessante Fußnoten zu ergänzen. Erstens ist der frühe Widerstand gegen den Kommunismus mittels Enthüllung seiner Arkan-Praxis eine mutige und hochanständige Sache gewesen! Zweitens hat Kempowski Widerstand geleistet gegen die Ausplünderung Deutschlands durch die Sowjetunion, die sich in ihrer Zone weit über das 1945 in Jalta und Potsdam festgelegte Maß bediente. Wem sonst als den Amerikanern hätte er die Informationen übergeben können? Ein deutscher Staat existierte nicht, um für das eigene Land etwas zu bewirken, mußte man die beiden Supermächte gegeneinander ausspielen. Und warum sollte er, drittens, dafür keine Gegenleistung erwarten? Die Reederfamilie Kempowski war enteignet worden, in ihrer Heimatstadt Rostock hatte sie keine Zukunft mehr. Warum sich nicht inmitten der Trümmer und des Hungers um eine kleine Starthilfe im Westen bemühen? Das ist leicht zu verstehen!

Warum hat Kempowski es trotzdem nur teilweise offenbart? Keele gibt an, daß Kempowskis Bruder nach seiner Entlassung von der Bundesrepublik eine Haftentschädigung erhalten hatte. Die wäre hinfällig gewesen, wenn sich seine Beteiligung an Spionageangelegenheiten herausgestellt hätte. Man greift sich an den Kopf: Eine Schummelei war nötig, um im Westen Anstand und Widerstand honoriert zu bekommen, die der Osten mit Zuchthaus bestrafte! Von Anfang an war etwas faul im Staate Bonn!

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