© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/09 08. Mai 2009

Im Haß vereint
Widersinnige Allianzen: Gedanken zur linken Islamophilie
Marcus Bauer

Zur Kontroverse um den Bau einer Großmoschee in München-Sendling liegt von seiten der rot-rosa-grünen Ja-Sager eine Stellungnahme vor, die treffend auf den Punkt bringt, worum es den linken Islamophilen eigentlich geht – und worum nicht: „Es geht nicht um einen Gebetsort, sondern um dessen Sichtbarkeit und um die Gleichberechtigung für die Einforderung eines Bauplatzes an der Straße. Es geht um die Erkennbarkeit des Gebetsortes als Moschee mit Minaretten. Es geht um die Sichtbarmachung der Tatsache, daß es auch in Bayern auf die Dauer keine homogene Gesellschaft mehr geben wird. Die Moschee widerlegt mit ihrer Architektur eine Lebenslüge der CSU und großer Teile der deutschen Gesellschaft: Bayern sei kein Einwanderungsland. Doch eine Moschee zerstört das Bild des (...) immer gleichen geschlossenen Bayerntums …“

Diese Geisteshaltung weltoffener Autochthoner läßt sich als komplementäre Ergänzung dessen nehmen, was der heutige türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdoğan 1998 unter Berufung auf ein religiöses Gedicht als Parole ausgab (wofür er immerhin seinerzeit im eigenen Land zu einer zehnmonatigen Haftstrafe und lebenslänglichem Politikverbot verurteilt wurde): „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“

So wenig Islamisierern und alltürkischen Imperialisten an Dialog, Toleranz und Multikulturalität um ihrer selbst willen liegen mag, so gerne instrumentalisieren sie diese Vokabeln und vermeiden dabei klug, die xenophilen Schwärmer und islamverstehenden Halbbildungsbürger die insgeheim entgegengebrachte Verachtung spüren zu lassen, welche der Ehrlosigkeit speichelleckender Anbiederei angemessen ist.

Solange die tonangebenden Kreise der indigenen Bevölkerung in Medien, Politik und Kultur solcherart disponiert sind und ein islamisierungsfreundliches Meinungsklima gewährleisten, kann die Landnahme ungehindert fortschreiten und vollendete Tatsachen schaffen. Wer diese nicht unwidersprochen hinnehmen will, wird von Islam-Lobbyisten gerne einer „Lebenslüge“ bezichtigt.

Allerdings sollten die linken Islamisierungsfreunde nicht nur als nützliche Idioten der türkischen Religionsbehörde oder der Imame gesehen werden. Denn tatsächlich findet eine Verzweckung auch in umgekehrter Richtung statt. Im Haß, zu dem sich die von Ressentiments und selbstmitleidiger Opferbefindlichkeit dem judäo-christlichen Okzident gegenüber gezeichnete Psyche orientalisch-islamischer Milieus zu versteigen vermag, findet der linke Haß auf das geschichtliche und kulturelle Selbst seine Verlängerung und externe Unterstützung. Was liegt da näher, als die demographische und emotionale Wucht islamischer Expansion gewähren zu lassen, um das Selbstverständnis eines „christlichen Abendlandes“ endgültig aus dem kollektiven Bewußtsein der Europäer auszutilgen?

Wenn sich Bevölkerungsproporz und architektonisches Erscheinungsbild unserer Städte massiv ändern, verschwindet die christlich-abendländische Signatur aus dem kommunalen Wahrnehmungsbereich und wird als eine kulturelle Variante neben gleich gültigen anderen marginalisiert. Ein im kollektiven Gedächtnis noch nachklingendes Vorverständnis dessen, was das Eigene allgemein ausmacht – deutsche Sprache, heimischer Dialekt, christliche Symbole, die gewohnte Stadtsilhouette –, findet dann keine Bestätigung mehr in der unmittelbaren individuellen Lebenswirklichkeit. Damit ist, wie von den Multikulti-Ideologen angestrebt, die Selbst­ähnlichkeit, das heißt die erfahrene Übereinstimmung des Einzelnen mit dem Ganzen massiv gestört und der Kontinuitätsbruch vollzogen.

Kompakte orientalisch-islamische Parallelgesellschaften verursachen somit einen willkommenen Verfremdungseffekt und werden folgerichtig nach Kräften unterstützt und ermutigt.

Denn je dichter die orientalisch-islamischen Milieus sind, je fordernder sie auftreten, je triumphalistischer sie sich im öffentlichen Raum zur Schau stellen und je mehr den Einheimischen an Dialogaufwand und Rücksichtnahme abverlangt wird, desto mehr verkümmert das „Wir“ und „Uns“, desto mehr verblaßt das okzidentale Selbstbild, desto mehr verliert dieses seine überindividuelle Verbindlichkeit und seine Projektionskraft auf den Einzelnen.

Zu unterdrücken, daß das eigene Gemeinwesen eine historisch-kulturelle Identität aufbaut und durchhält, ist eine Facette des linken Jahrtausendprojekts zu Emanzipation und „Befreiung“. Der infernalische Haß auf das Eigene rührt daher, daß es sich um ein vor- und überindividuelles Eigenes handelt, um einen definierten Kontext, der dem Einzelnen präexistiert und sich dem Individuum ungefragt als national-kulturelle Typvorgabe aufprägt.

Alles Vor- und Überindividuelle ist einem individualistisch-hedonistischen Freiheitsbegriff verhaßt. Als „Eigenes“ zulässig ist nur, was das in unbedingter Selbstverfügbarkeit autonome Subjekt sich jeweils „selbstbestimmt“ heraussucht – von der Wahlfreiheit zwischen Currywurst und Döner bis zur sexuellen Orientierung. Strukturen der Subordination – des Teils unter das Ganze, der Vielfalt unter die Einheit, der Individuation unter den Typus, der Peripherie unter eine gemeinsame Mitte – sind hingegen gleichbedeutend mit „Repression“ und „Fremdbestimmung“. Daher: kein Europa, kein Deutschland, kein Köln, kein München, kein Staat, keine Religion, keine Kirche.

Hierin begegnet uns eine eindimensionale Denkweise, die so selbstevidente Zusammenhänge verkennt wie zum Beispiel: Wer über den Tellerrand hinausschauen will, muß erst einmal einen solchen haben. Oder: Weltoffenheit setzt den Unterschied zwischen der „Welt“ und dem voraus, was sich ihr öffnet.

Zudem ist Vielfalt schwerlich anders denkbar denn als Vielfalt in der Einheit, als in einer gemeinsamen Mitte gebändigte Diversifikation, als Aufschluß des Ganzen in seine Teile und des einen Prinzips in seine Besonderungen. Durch Toleranz wiederum weichen Ordnung und Einheit nicht zurück, sondern runden sich vielmehr ab, indem sie sich auf das, was nach Maßgabe des einheitsstiftenden Standards der Abgrenzung anheimfällt, durch Gelassenheit, Nachsicht und Verstehen hin überschreiten und den Regeldurchbrecher so aus der Distanz heraus wieder vereinnahmen.

Auch befreit der Haß auf das Vor- und Überindividuelle den Einzelnen nicht. Was aber Freiheit ausmacht, ist, daß das Individuum aus dem Subordinationszusammenhang, in dem es unablösbar gründet, heraus- und so den eigenen Voraus-Setzungen denkend und handelnd gegenübertritt.

Nichts anderes verstehen wir gemeinhin unter Demokratie, nämlich „Partizipation“, das heißt reflektierter Vollzug der eigenen Teil-Haftigkeit dem über- und vorgeordneten Ganzen gegenüber. Individuelle Freiheit ist der affirmative, konstruktive Kontrapunkt zum Vor- und Überindividuellen und nicht dessen Destruktion.

Freiheit, Offenheit, Toleranz und Pluralität als Ausdruck des höchsten Vollendungs- und Verfeinerungszustandes von Ordnung und Einheit sind Unterscheidungsmerkmale unserer Kultur und dem Umstand geschuldet, daß das Abendland ausdrücklich ein christliches Abendland ist.

Ob wir nun gläubig sind oder reine Kulturchristen: Angesichts der Auseinandersetzung mit einer monolithischen Islamideologie ist es Zeit, sich zu vergegenwärtigen, daß das Christentum aufgrund seiner theologischen Subtilitäten – ein Gott in drei Personen, Gottheit und Menschheit Christi, Gesetz und Liebe, Glaube und Vernunft, Freiheit und Gnade, Staat und Kirche, Immanenz und Transzendenz – dem Okzident einen kontrapunktorischen Denkstil mitgegeben hat, dem sich, im Unterschied zu den Langzeitwirkungen anderer religiöser Systeme, unsere liberale Kultur verdankt. Religion ist eben nicht gleich Religion.

Daß die links-grünen Befreiungs­ideologen, anstatt Freiheit im Einklang mit christlich-abendländischer Identität gegen den Islamismus zu verteidigen, ihr Wohlwollen und Verständnis ausgerechnet an einer despotisch-gewalttätigen Machokultur und deren totalitärer Politideologie verausgaben, um sich derart von der Bürde des eigenen Herkommens zu „befreien“, bezeichnet einen Punkt, an dem sich der exzessive eindimensionale Emanzipationismus der 68er-Schule endgültig ad absurdum führt.

Aber der Haß auf das Eigene ist so eingefleischt, das „Deutschland verrecke“ so tief ins Hirn gefräst, die Vorurteile dem Christentum gegenüber so vernagelt und die Selbsttäuschung so mächtig, es habe etwas mit „Aufgeklärtheit“ zu tun, sich das Fremde kritiklos schönzureden, daß man mit wehenden Fahnen die widersinnigsten Allianzen eingeht – Hauptsache, das Bild des „immer gleichen geschlossenen Bayerntums“ wird zerstört.

Foto: Modell des geplanten Moschee-Neubaus in München-Sendling: Religion ist nicht gleich Religion

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