© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/09 08. Mai 2009

Reines Wunschdenken
Yoga im Dritten Reich
Toni Roidl

Wer glaubte, zum Dritten Reich und der NS-Zeit sei schon jeder Stein gleich mehrfach gewendet worden, sieht sich getäuscht. So widmet jetzt die Zeitschrift Yoga aktuell (April/Mai 2009) eines ihrer Titelthemen der Beziehung zwischen „Yoga und Nationalsozialismus“!

Der Berliner Journalist und Yogalehrer Mathias Tietke trägt Erstaunliches zusammen: Im Jahr des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs gründete der Exilrusse Boris Sacharow in der Reichshauptstadt Berlin seine „Yogaschule für indische Körperertüchtigung“. Über hundert Schüler und zahlreiche Fernstudenten meldeten sich an.

Obwohl zweimal ausgebombt, war der Russe bis 1945 in Deutschland offiziell als Yogalehrer tätig. Nach dem Krieg lehrte er unter US-amerikanischer Obhut in Bayern weiter. 1959 kam er bei einem dubiosen Autounfall ums Leben; sein Schüler Sigmund Feuerabendt glaubt an ein Attentat des KGB.

Sacharow hatte im nationalsozialistischen Deutschland keineswegs ein Yoga-Monopol: Mehr als zwanzig Yogalehrbücher verschiedener Autoren kursierten im Deutschen Reich, darunter solche wie von Willy Adelmann-Huttula, der über „National- und Rassen-Karma“ dozierte. Der völkisch-esoterische Ernst Issberner-Haldane ging noch weiter und schrieb, Yoga sei „nur allein für die arische Lichtrasse“ geeignet, keinesfalls aber für „Neger, Mongolen und Juden“. Ausgerechnet Haldanes Bücher wurden jedoch 1941 verboten und er selbst inhaftiert.

Auch Heinrich Himmler, der bekanntlich ein großes Faible für Esoterik hatte, vertiefte sich in die „Bhagavad Gita“-Lehre. Kaum noch verwunderlich, daß einer der prominentesten Yogalehrer der SS-Hauptsturmführer (und Professor für Indologie) Jakob Wilhelm Hauer war. Seine Bücher über die Geschichte des Yoga gelten bis heute als Standardwerke und werden nach wie vor von manchen jüngeren Yogaexperten zitiert – und das völlig unkritisch, wie Mathias Tietke bemängelt. Sein Fazit: „Eigentlich möchte man meinen, daß sich die Ethik des Yoga und Nationalsozialismus ausschließen, und manche YogalehrerInnen behaupten das auch. Aber das ist reines Wunschdenken …“ War der Hitlergruß am Ende nur eine Yogaübung?

Für das kommende Jahr plant Tietke die Publikation einer ausführlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Yoga und Nationalsozialismus in seinem Buch „Yoga kontrovers“, das im Bielefelder Aurum-Verlag erscheinen wird. Ob Yoga dann dem „Kampf gegen Rechts“ zum Opfer fällt und verboten wird?

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