© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/09 15. Mai 2009

Neue Heimat
Parteitag: Die FDP mausert sich zu einem Auffangbecken für Stammwähler der Union
Hans Christians

Es gibt ein Wort, das scheut der FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle wie der Teufel das Weihwasser. Ob seine Partei denn mittlerweile rechts von der Union stehe, ist der 47jährige neulich gefragt wurde. „Nun“, sagte der Jurist, „es ist ja so, daß die CDU immer weiter nach links rückt, aber uns deswegen als rechts zu bezeichnen, wäre vermessen. Wir haben einfach einen konsequenten Standpunkt.“

Westerwelle hätte zweifelsohne auch sagen können, daß seine Liberalen mittlerweile sicherlich rechts von der Merkel-Union einzuordnen sind, aber dieses Attribut ist in der Bundesrepublik eben negativ behaftet, und eine allzu verfängliche Verwendung könnte Wählerstimmen kosten. Und das will man im Superwahljahr 2009 natürlich vermeiden. Denn die Zeichen stehen gut für den langjährigen Junior-Partner der Union. Zwischen 13 und 15 Prozent liegt die Partei derzeit in den Meinungsumfragen, das ist zwar etwas weniger als vor zwei Monaten, liegt aber über allen Ergebnissen, die die Liberalen in der Geschichte der Bundesrepublik erzielen konnten. So kokettiert Generalsekretär Dirk Niebel mittlerweile zwar damit, daß man gerne das Rekordresultat von 1968 (12,8 Prozent) übertreffen wolle, aber garantiert ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf ziehen werde.

Dies trifft die von Bundeskanzlerin Angela Merkel geführte CDU bis ins Mark. Daß das bürgerliche Lager den jüngsten Erhebungen zufolge bei den Bundestagswahlen am 30. September keine Mehrheit erreichen werde, liegt nicht wie so oft in der Vergangenheit an der FDP, sondern an der Union. Mickrige 34 Prozent können sich derzeit für die Merkel-Truppe erwärmen, die Tendenz ist eher noch weiter fallend. Der Parteienforscher Jürgen Falter sieht die Union in einem Dilemma: „Die Union verliert ihre Stammwähler. Und zwar vor allem an die FDP. Dies liegt daran, daß die Liberalen trotz oder gerade wegen der großen Wirtschaftskrise als die Partei gelten, der man auf diesem Gebiet viel Kompetenz zubilligt. Sie gilt außerdem mittlerweile als extrem verläßlich.“ Nicht nur der betont marktwirtschaftliche Kurs der FDP bietet in unsicheren Zeiten eine Heimat für von der Union enttäuschte Mittelständler, sondern auch die strategische Ausrichtung der Partei.

Auch wenn Westerwelle und Co. auf eine konkrete Koalitionsaussage verzichten werden, gilt ein Bündnis mit der Union dennoch als erste Präferenz. Im Klartext: Die Wähler, die Schwarz-Gelb wollen, werden versuchen, die FDP so stark zu machen, daß eine Neuauflage der Großen Koalition unmöglich wird. Gleichzeitig gilt die FDP aber auch als so kompetent in Wirtschaftsfragen, daß man ihr eine Beteiligung an einer Koalition mit SPD und Grünen nicht übelnehmen würde. Dies wäre dann das kleinere Übel, was viele Wähler bereit wären zu schlucken. Für den Parteienexperten Falter ist dies eine logische Entwicklung: „Die FDP ist seit zehn Jahren in der Opposition. Die Leute denken, daß die einfach mal wieder dran ist. Zudem leidet die Union ebenso derzeit unter den Auswirkungen der Großen Koalition. Vielen Stammwählern ist das alles zu sozialdemokratisch.“

Diese Analyse ist Wasser auf die Mühlen von FDP-Boß Westerwelle, der Union und SPD gerne in einem Atemzug als „zwei sozialdemokratische Volksparteien“ bezeichnet. Zugute kommt den Liberalen auch, daß Kanzlerin Merkel bei der Lage-Beurteilung ein schwerer strategischer Fehler unterlaufen ist. In dem Glauben, daß ihre Stammwählerschaft treu bei der Fahne bleiben würde, wollte sich allzusehr im Revier der Sozialdemokraten bedienen. Verstaatlichungen, Papst-Kritik und Vertriebenen-Zentrum – es gab kaum ein Thema, bei dem die Kanzlerin nicht deutlich machte, daß sie den großen Beutezug im linken Spektrum plante. Die Sache – das ist nun schon absehbar – ist gründlich in die Hose gegangen.

Die SPD hat sich von ihrem historischen Tief wieder erholt und klettert langsam in Richtung der 30-Prozent-Marke. Mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier schickt die Partei außerdem einen Sympathieträger ins Rennen. Die inhaltlichen Verrenkungen, die Merkel unternommen hat, um frustrierte Sozialdemokraten zu sammeln, haben letztlich nur dazu geführt, daß überzeugte Christdemokraten ins Lager der FDP gewechselt sind, obwohl diese bei den Themen Vertreibungszentrum und Papst-Kritik keine wesentlich andere Position vertreten hat als die Union. Dies mag vor allem daran liegen, daß Westerwelle diese Themen nur denkbar knapp aufgegriffen und sich mit allzu großen Polemiken zurückgehalten hat. Denn auch der liberale Frontmann weiß, daß ein ungeschicktes Vorgehen den FDP-Höhenflug wieder zunichte machen könnte.

So geht die FDP-Führungsriege mit breiter Brust in den Bundesparteitag, der am kommenden Wochenende in Hannover stattfindet. Was Parteien im Wahljahr gerne vermeiden, um nur ja keine innerparteilichen Zwistigkeiten nach außen dringen zu lassen, steht bei der FDP mit voller Absicht auf der Tagesordnung: die turnusmäßige Neuwahl des Bundesvorstands. Überwältigende Mehrheiten für Westerwelle samt Anhang gelten nämlich als sicher.

Foto: Wahlplakat der Liberalen: „Wir sind nicht rechts“

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