© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/09 22. Mai 2009

Wenn selbst die Eltern in Verdacht geraten
Bildungspolitik: Mit einer tendenziösen Broschüre soll an den Berliner Schulen der Rechtsextremismus bekämpft werden
Fabian Schmidt-Ahmad

Der Kriminologe Christian Pfeiffer will es herausgefunden haben: Fünf Prozent aller deutschen Jugendlichen sollen in rechtsextremen Kameradschaften oder Vereinen organisiert sein. Diese Zahl ist zwar derart unwahrscheinlich hoch, daß selbst die linke taz über die Aussagekraft der Studie spottete (JF 14/09), jedoch ist eins schon jetzt ersichtlich: Gab es früher im „Kampf gegen Rechts“ jemals eine Schamgrenze im Umgang mit Kindern und Jugendlichen, so dürfte diese nun gefallen sein. Ausdruck davon ist die Broschüre „Handeln gegen Rechtsextremismus an Berliner Schulen“.

Schon die Unterstützerliste der Schrift, die Lehrer dabei helfen soll, „schnell und angemessen“ auf angeblich rechtsextreme Vorfälle im Schulumfeld reagieren zu können, offenbart den rot-roten Filz des Berliner Senats. Der Senatsbeauftragte für Integration und Migration findet sich neben anderen ebenso darunter wie das „Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum“, die Bundesinitiative „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“  und die „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin“ (MBR).

Entsprechend hochideologisiert ist der Begriff des Rechtsextremismus, den die auf dem staatlich alimentierten Saatfeld „gegen Rechts“ gedeihenden Einrichtungen verwenden. Beispielsweise zählt dazu ein sogenannter „Wohlstands­chauvinismus“, der sich folgendermaßen definiert: „Die Mitglieder fremder Volksgruppen im eigenen Land werden nicht prinzipiell abgelehnt, ihnen soll aber die Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand verwehrt werden. Maßgeblich sind weniger ethnische, sondern vor allem sozioökonomische Motive.“ Bei einem derart weit ausgedehnten Verständnis verwundert es nicht, daß die Autoren „Rechtsextreme“ nicht nur in der Schüler-, sondern auch Elternschaft vermuten.

Zwar empfiehlt Anne Benzing in ihrem Beitrag, daß sich Lehrer bei Vorkommnissen „frühzeitig Unterstützung und Verbündete in der Schule suchen“, wozu sinnvollerweise „Elternvertretungen und Fördervereine“ gehören. Allerdings nur mit Vorbehalt: „Falls in den Gremien rechtsextreme Aktivist/innen vermutet werden, sollte man auf jeden Fall externe Beratung hinzuziehen.“ Damit dürfte die MBR gemeint sein, deren Mitarbeiterin Benzing ist und der sich so ein reiches Betätigungsfeld erschließt. Erklärte sie doch auf einer Veranstaltung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung im vergangenen September, daß die Begriffe „Rechtskonservatismus und Rechtsextremismus“ eigentlich „austauschbar“ seien.

Sie meinte damit explizit Mitglieder des CDU-Bezirkskreises Zehlendorf, die in Zukunft wohl ihre Kinder besser an Privatschulen schicken sollten. Denn ist erst einmal das Elternhaus als Quelle des Übels identifiziert, „ist es wichtig, die Jugendlichen bei der Entwicklung demokratischer Werte zu unterstützen und gegenüber den Eltern stark zu machen“, heißt es an anderer Stelle.

Der Broschüre dürfte dies allerdings noch nicht einmal gegen intellektuelle Leichtgewichte gelingen. Im Beitrag „Demokratische Argumente gegen die NPD“ sollen dreizehn Thesen der radikalen Splitterpartei widerlegt werden. „Wir sind gegen einen Vielvölkerstaat auf deutschem Boden“, heißt es beispielsweise in einer NPD-Schulungsbroschüre. „Multikultur ... endet in Mord und Totschlag.“ Kommentiert wird dies ernsthaft mit der Behauptung: „Es gibt keine Völkerschaften, die einwandern, sondern nur einzelne Menschen.“ Um sich gleich selbst in der Erwiderung zu widersprechen. So sei der Völkermord im ehemaligen Jugoslawien durch den wiedererstarkenden Nationalismus der einzelnen Völker entstanden. „Einen solchen Weg schlägt die NPD nun den Deutschen unter den Europäern vor.“

In einem bezeichnenderweise „Utopia“ genannten Gedankenexperiment sollen sich die Schüler als Schiffbrüchige auf einer einsamen Insel fühlen. „Nach einer kurzen Inspektion erkennt ihr, daß die Lebensbedingungen gut sind.“ Nachdem sie nun „Ureinwohner“ der Insel geworden sind, kommt eine neue Gruppe von Schiffbrüchigen. „Wie wollt ihr nun in Zukunft mit den Fremden zusammenleben?“ Herauskommen soll dabei laut Lehrplan eine Art verfassungspatriotische Spielwiese gemeinsamer Rechte und Pflichten. Die Autoren haben wohl noch nicht bemerkt, daß in den unteren Klassen West-Berlins bereits mehr als die Hälfte der Kinder ihre Wurzeln in der Türkei hat. Ein Verdrängungsprozeß, der nur in ihren Hirnwindungen ein buntes und fröhliches Spiel ist. Wer für sich den „Schutz des Einzelnen vor Verfolgung und Diskriminierung“ vollmundig in Anspruch nimmt, aber nicht fähig oder willens ist, diesen für die Kinder der „Ureinwohner“ durchzusetzen, der offenbart sich als derjenige, der er ist: ein Heuchler, dessen ideologischer Haß vor niemandem haltmacht. Auch nicht vor Kindern.

Die Studie im Internet: osz-gegen-rechts.de/uploads/media/Handeln_Internet.pdf

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