© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/09 22. Mai 2009

Der Steuerzahler bürgt für Bankaktionäre
Finanzpolitik: Die von der Bundesregierung beschlossenen „Bad Banks“ für US-Schrottpapiere der Kreditinstitute sind eine schlechte Idee
Menno Aden

Wenn eine Wandergruppe sich im Nebel verläuft, war niemand schuld, aber jeder weiß, wo’s langgeht. Zweieinhalb Monate nach der folgenreichen Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers prognostizierte die Wanderführerin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, auf dem CDU-Parteitag in Stuttgart: 2009 werde das „Jahr der schlechten Nachrichten“. Weitere Konjunkturprogramme oder gar Steuersenkungen seien dennoch verzichtbar. Man solle sich am Prinzip der „praktischen Vernunft“ der sparsamen, schwäbischen Hausfrau orientieren und nur ausgeben, was man auch ausgeben kann Denn: „Auf Dauer kann keiner über seine Verhältnisse leben“, mahnte die CDU-Chefin im Dezember 2008.

Die Gläubigen des wissenschaftlichen Keynesianismus aber riefen schon damals: deficit spending – Konsum – Liquidität. Warnende Stimmen – wie auch die des Verfassers dieser Zeilen – wurden angesichts des Ausmaßes der Finanzkrise, die sich zur Weltwirtschaftskrise ausgeweitet hatte, immer mehr ignoriert. Dann der eindringliche Ruf: Kapitalhilfen für systemische Kreditinstitute! Unsere Wanderführerin, nun schon mit schwächerer Stimme: Wenn ihr meint. Nach dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) vom 17. Oktober 2008 gab es nun im April das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz (FMStErgG). Die neu eingerichtete Finanzmarktstabilisierungsanstalt (FMSA) verwaltet den Finanzmarktstabilisierungsfonds (Soffin) – und es gab Geld. Richtig viel. Der Soffin hat ein Volumen von 480 Milliarden Euro – der Bundeshaushalt 2008 sah hingegen lediglich Ausgaben von 283,2 Milliarden Euro vor. Zudem unterliegt der Milliarden-Fonds nicht den üblichen Regeln der Haushaltsplanung. Dennoch: Der Nebel blieb.

„Bad Bank!“, das war nun der letzte Schrei. Das Vorbild kommt wie die Krise aus den USA. Die Kanzlerin, selbst verdächtig stumm geworden, ließ dennoch zunächst ausrichten: In Deutschland gibt es keine relevante Stimme, die eine zentrale Bad Bank fordert. Das Thema sei vom Tisch, hieß es noch im Januar dieses Jahres. Niemand weiß, wie es kam, aber vorige Woche hörten wir: Das Bundeskabinett habe ein „Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung“ beschlossen. Banken können „Bad Banks“ gründen und strukturierte Wertpapiere an sie übertragen.

„Der Grund sind große Bestände risikobehafteter Wertpapiere, die die Bilanzen von Kreditinstituten, Finanzholding-Gesellschaften und deren Tochterunternehmen belasten. Sie binden Eigenkapital, so daß die Banken weniger Kredite an normale Kunden gewähren“, erläuterte das Bundesfinanzministerium. Doch vor jeder Handlung muß die Frage stehen: Was will ich eigentlich erreichen? Daran scheint es zu hapern. Im Bilde der Wanderer: Sollen wir einfach weiterwandern? Augen zu und durch? Vielleicht wäre es besser, ein Stück zurückzugehen, neu anzusetzen.

Die Idee der Bad Bank ist einfach: Das Finanzinstitut (FI) vermerkt auf der Passivseite, woher sein Geld kommt, zum Beispiel eine Million Euro von tausend Sparern. Auf der Aktivseite wird verbucht, was damit gemacht wurde. Das FI hat etwa eine Anleihe der New Yorker Super Money Bank (SMB) gekauft. Geht die SMB pleite, besteht der Anspruch rechtlich zwar weiter, er ist aber nichts mehr wert. Da das FI nun mehr Schulden als Vermögen hat, ist das FI selber pleite. Es sei denn, da ist jemand, welcher die Bilanz von FI bereinigt – eben die Bad Bank (BB)!

Erfahrende Bankjuristen kennen daher viele Möglichkeiten. Einfach wäre eine Verkaufsoption: Die BB muß kaufen, sobald das FI es fordert. Möglich ist auch ein Darlehen an das FI mit Rangrücktritt. Klassisch ist die Garantie – und schon ist die Bilanz des FI blitzsauber. Aber an einem beißt die Maus keinen Faden ab: Am Ende steht der Staat und sein Finanzier, der Steuerzahler. Da die BB aus Gründen des Haushaltsrechts vom Staat direkt kein Geld bekommt, muß sie sich refinanzieren, etwa durch den Verkauf ihrer Forderungen gegen das FI an die Europäische Zentralbank (EZB). Das geht aber nur, wenn die Bundesrepublik Deutschland das Ausfallrisiko garantiert. Es ist daher egal, ob die Soffin oder weitere Gesellschaften zwischengeschaltet werden. Es ist Augenwischerei, zumeist mit dem Ziel, haushaltsrechtliche Vorgaben zu unterlaufen.

Die Banken sollen die wahrscheinlichen Verluste der Bad Banks nur insoweit mittragen, als sie diese aus späteren Gewinnen im normalen Bankgeschäft finanzieren können. Das Eigenkapital ist vor der Haftung geschützt, kritisiert das Münchner Ifo-Institut. „Bad Banks sind eine Bad Idea – eine schlechte Idee. Sie läuft darauf hinaus, das Vermögen der Bankaktionäre zu erhöhen und das der Steuerzahler zu verringern“, warnt Ifo-Chef Hans-Werner Sinn, der als Präsident des Weltverbandes der Finanzwissenschaftler (IIPF) zu den anerkannten Experten zählt. Selbst wenn die Bad-Bank-Sache gutgeht, hätte der Steuerzahler immer noch die Prämie für eine Versicherung gezahlt, die ihn eigentlich nichts angeht.

Warum werden nicht die Aktionäre in Haftung genommen? Der Staat muß zahlen, weil bei denen nicht mehr viel zu holen ist. Diese haben bereits gezahlt. Wer vor einem Jahr beispielsweise 1.000 Commerzbank-Aktien kaufte, hat dafür etwa 25.000 Euro bezahlt. Daraus sind aktuell um die 5.000 Euro geworden. Aktionäre noch mehr haften zu lassen, bedeutet: Man läßt die Banken pleite gehen. Den Großen hilft man, den Kleinen nicht. Warum? Und was soll mit den Bad Banks eigentlich erreicht werden? „Die Unternehmen können ihre Bilanzen kurzfristig entlasten“, antwortet die Bundesregierung. „Das freie Eigenkapital der Bank kann in Form von Krediten in die Realwirtschaft, in Investitionen und damit auch in die Sicherung von Arbeitsplätzen fließen.“ Das klingt gut, doch die Geld- und Kreditversorgung findet in Deutschland zu etwa zwei Dritteln durch öffentlich-rechtliche Sparkassen und Genossenschaftsbanken statt. Wenn die Deutsche Bank Bankrott erklärte, wäre das zwar bitter für deren Beschäftigte und Aktionäre. Aber auch ein nationales Unglück? Würde die Bürger das Verschwinden der Commerzbank mehr schmerzen als das der traditionsreichen Dresdner Bank?

Das „Bad Bank“-Modell wird von den meisten privaten Aktienbanken wohl kaum genutzt werden. Die private Hypo Real Estate hat schon über 100 Milliarden Euro an Beihilfen und Garantien erhalten. Bei der Commerzbank, die der Allianz die marode Dresdner abnahm, ist der Staat schon mit 25 Prozent beteiligt. Wozu also das Ganze? Es besteht der Verdacht, daß die Idee nur kurzsichtigen politischen Erwägungen dient. Die staatlichen Landesbanken scheinen den größten Bestand an wertlosen Forderungen und „Giftpapieren“ zu haben, die sie blauäugig von Privatbanken im In- und Ausland aus Renditegier gekauft haben.

Die meisten Landesbanken sind offenbar schwer angeschlagen. Hinsichtlich ihrer Schulden von vor 2005 stehen sie noch in der Gewährträgerhaftung ihrer Bundesländer. Diese sind aber selbst höchst verschuldet. Forderungen aus dieser Gewährträgerhaftung sind kaum mehr bezahlbar. Die HSH-Nordbank wurde im Frühjahr mit einem Notprogramm der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg oberflächlich saniert. Doch welche Risiken schlummern in der weitaus größeren WestLB, für welche das Land Nordrhein-Westfalen aufkommen müßte? Die Bayern LB oder die württembergische LBBW – sie alle haben am großen Rad gedreht, welches in der Finanzkrise knirschend zum Stehen kam. Sie drohen nun ihre Gewährträger mit in den Abgrund zu reißen.

Die Bad Bank ist, so sieht es aus, eine rein politische Nummer. Die maroden Landesbanken können ihre Bilanzen säubern. Die Haftung der Länder wird auf die Bad Bank – also auf den Bund – verlagert. Die Risiken aus den Sonderinteressen der Landesbankeigentümer (Sparkassen und Verbände) werden so zum Gemeinschaftsrisiko des deutschen Volkes. Damit man es nicht so merkt, benennt man das ganze auf englisch, klingt modern und „wissenschaftlich“.

Wer kritisiert, muß auf die Frage antworten: Was könnte anstatt der „Bad Banks“ getan werden? Banken sind kein Wert an sich. Gebraucht wird Vertrauen. Auch Autozulieferer sind kein Wert an sich – gebraucht werden sinnvolle Arbeitsplätze. Beides entsteht, wenn glaubhaft wird, leisten zu können, was man vorgibt, und leisten zu wollen. Vertrauen ist so ein anderes Wort für Eigenkapital und umgekehrt. Damit ist aber nicht Kapital gemeint, das aus Konjunkturprogrammen und warmer Luft geschöpft wird.

Keynes, Kredit und Konsum sind wie Doping: zunächst anregend, dann kommt der Zusammenbruch. In unseren westlichen Volkswirtschaften haben wir die ständige Überproduktion zum System gemacht. Fehlallokation von Ressourcen (die Überproduktion wird mit neuen Kosten entsorgt) ist die Folge. Wir sollten in die in die entgegengesetzte Richtung gehen. Wir sollten den Mut haben, die Volumenschrumpfung unserer aufgeblähten Angebotswirtschaft als Auftrag zu sehen, mit anderen, qualitativ höheren Angeboten neue Wertschöpfungsketten in Gang zu setzen.

Es gibt Krankheiten, die man nicht heilen, sondern durchstehen sollte, sagte schon Goethe. Viel spricht dafür, daß die jetzige Krise eine solche ist. Sie wird nicht mit Pillen und Dopingmitteln zu heilen sein. Wenn wir sie zu einem grundsätzlichen Umdenken nutzen, werden wir gestärkt aus ihr hervorgehen. Aber eine Bad Bank ist – wie schon der Name sagt – bad.

 

Prof. Dr. Menno Aden, Autor vieler wirtschaftsrechtlicher Veröffentlichungen, ist Vorsitzender der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft (SWG).

Foto:  Bankenzentrum Frankfurt am Main: Augenwischerei mit dem Ziel, das Haushaltsrecht zu unterlaufen

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