© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/09 29. Mai 2009

Meldungen

Die fortschreitende Verlärmung der Welt

STUTTGART. An einem biologischen Institut in den USA wurde eine Gruppe von Kürbispflanzen mit klassischer, die andere mit Rockmusik beschallt. Die Pflanzen, die Haydn oder Mozart genossen, wuchsen dem Radio geradezu entgegen und umschlangen es liebevoll. Die andere Gruppe versuchte sich von der rockigen Geräuschquelle so weit wie möglich fortzuranken. Im Themenheft „Lärm“ der jüngsten Ausgabe von Universitas (4/2009) dient diese immer wieder gern erzählte Forschungsanekdote dem Freiburger Sozialwissenschaftler Stephan Marks dazu, einerseits auf die tiefe evolutionäre Verankerung unseres spätentwickelten Gehörsinns, andererseits auf seine hohe Empfindlichkeit gegenüber einer Vielzahl „unnatürlicher“ Belästigungen hinzuweisen, der allgegenwärtigen „Verunreinigungen der Luft durch Schallenergie“. Daß der von Maschinen und Menschen verursachte Lärm inzwischen zu einem veritablen gesundheitspolitischen Problem geworden ist, signalisiert nicht erst der EU-verfügte Anti-Lärm-Tag am 29. April. Marks inspiziert das ganze Pandämonium der Lärmhölle, in die der „moderne“ Mensch alltäglich hineingezwungen wird. Zudem steige jährlich der Lärmpegel in westlichen Industrieländern um bis zu ein Dezibel. Die „fortschreitende Verlärmung der Welt“ belasse uns „immer weniger Orte und Zeiten, wo der Mensch Stille finden kann“.

 

Grenzen der westlichen Ordnung der Dinge

BERLIN. Andreas Eckert, Professor für die Geschichte Afrikas an der Humboldt-Universität, möchte gern ins „Museum der Kulturen“ übersiedeln, das vielleicht schon 2015 im wiedererstandenen Berliner Schloß residiert. So jedenfalls läßt sich die Vision deuten, sein DFG-Projekt „Akteure der kulturellen Globalisierung 1860–1930“ möge sich in einem Forschungsinstitut verstetigen, um sich im „Berliner Raum“ den „drängenden Fragen der Gegenwart in historischer Perspektive“ zu widmen (humboldt spektrum, 1/2009). Besonders drängend scheint für Eckert und sein Forscherteam zur „Historisierung der Globalisierung“ die Frage, ob die eigentlich schon im 16. Jahrhundert einsetzende weltweite Vernetzung als pure „Verwestlichung“ verstehbar ist. Bildet sich eine von Westeuropa und den USA diktierte „standardisierte Ordnung der Dinge“ heraus, die regionale und nationale Verschiedenheit einebnet? Für Eckerts Forschergruppe scheint die „weltweite Diffusion universeller (westlicher) Normen“ vor allem in Asien an Grenzen gestoßen zu sein. Dort wie in Südamerika und Afrika hätten regionale Kulturen „Gegenstandards“ ausgeprägt, so daß es legitim sei, von „multiplen Modernen“ zu sprechen. Bis 2011 gewährt die DFG Eckerts Mannschaft Zeit und Geld, um diese These empirisch zu erhärten.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen