© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/09 05. Juni 2009

Neue JF-Serie
Der lange Weg zum Weltkrieg
Dieter Stein

Die Vergangenheit ist allgegenwärtig. Sie vergeht nicht, so sehr sich auch manche Schlußstriche wünschen. Sie greift immer wieder ins politische Geschehen ein, wie der Kampf um das Zentrum gegen Vertreibungen zeigt. 2009 ist ein besonders geschichtsmächtiges Jahr: 20 Jahre Mauerfall, 60 Jahre Grundgesetz und Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Auch die nachgewachsene Generation im wiedervereinigten Deutschland beschäftigt die Frage nach dem Warum: Wie kam es dazu, daß Deutschland so lange besetzt und geteilt war? Weshalb wurden zwölf Millionen Deutsche aus dem Osten vertrieben, und weshalb verlor Deutschland Schlesien, Pommern, West- und Ostpreußen, Elsaß-Lothringen? Weshalb scheiterte die Weimarer Demokratie? Warum marschierten die Deutschen in einen neuerlichen Weltkrieg? Haben wir das Militarismus-Gen?

Tatsächlich fiel die weltpolitische Eskalation 1939 nicht vom Himmel. Eine der wichtigsten Ursachen für den neuerlichen Weltenbrand gebaren die Siegermächte des Ersten Weltkrieges in einem berühmten Pariser Vorort. Just jährt sich auch dieses Jahr zum 90. Mal die Unterzeichnung des Versailler Vertrages, jenes von allen Weimarer Parteien von links bis rechts als „Diktat“ gegeißelten Papiers, das den Grundstein für das Scheitern der ersten deutschen Republik legte. Die himmelschreienden Bedingungen dieses Vertrages waren das Todesurteil für die junge Republik. Heute ist das Wissen um die Lage der Zeit verschüttet, überlagert von einer ideologischen öffentlichen Geschichtsdeutung, die fast ungebrochen monokausal von einem deutschen „Griff zur Weltmacht“ als Kriegsursache ausging.

Für die Widerherstellung des stereoskopischen Blickes auf die Historie, die Wahrnehmung der Multikausalität, kämpfen kritische Historiker. Gerd Schultze-Rhonhof ist einer von ihnen – wenn auch seine Profession zunächst eine andere war. Der im Jahre des Kriegsausbruchs Geborene wurde in der neu aufgebauten Bundeswehr Berufssoldat. Als Generalmajor bat er 1996 um seine Entlassung, nachdem man ihm wegen seiner klaren Kritik an der Wehrdienstverkürzung und am „Soldaten sind Mörder“-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes „Illoyalität“ vorgeworfen hatte.

Schultze-Rhonhof nutzte die vergangenen Jahre, um der Frage nach den Hintergründen des Kriegsausbruchs auf den Grund zu gehen. Frucht seiner Bemühungen ist das populärwissenschaftliche Buch „Der Krieg, der viele Väter hatte“, das inzwischen sensationelle sechs Auflagen und eine Gesamtauflage von über 30.000 Exemplaren erreicht hat.

Exklusiv für die JUNGE FREIHEIT verfaßte Gerd Schultze-Rhonhof eine zwölfteilige Serie, die in dieser Ausgabe startet (siehe Seite 20). Er faßt hier den gesamten Zeitraum der „Zwischenkriegszeit“ von 1919 bis 1939 in den Blick, um insbesondere für nachgeborene Leser zu ergründen, wie es zum Kriegsausbruch kam. Seine Serie beginnt mit dem Kapitel „Die Hypotheken von Versailles“. Es war alles viel komplizierter ...  

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