© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/09 05. Juni 2009

„Am Sonntag Europa vor Lissabon retten!“
Interview: Declan Ganley, Millionär und Gründer der europäischen Anti-Lissabon-Partei Libertas, wirbt auch um deutsche Wählerstimmen
Moritz Schwarz

Herr Ganley, wie viele Abgeordnete wird Libertas nach der Wahl am Sonntag ins Europäische Parlament schicken?

Ganley: Sechshundert Kandidaten treten für Libertas europaweit an, und wir rechnen damit, daß wir etwa 106 Sitze erringen können.

Stecken Sie sich nicht reichlich hohe Ziele? Die Fraktion der Liberalen zum Beispiel hat derzeit mit zwölf Prozent 101 Sitze.

Ganley: Es hängt vor allem von der Wahlbeteiligung ab. Ist die Wahlbeteiligung höher als beim letzten Mal – 2004 waren es 45,6 Prozent –, werden wir sicher einen guten Schnitt machen.

Werden deutsche Abgeordnete dabei sein?

Ganley: Das hoffe ich sehr! Nachdem wir Ende März leider die nötige Unterschriftenzahl für die Wahlteilnahme von Libertas in Deutschland verfehlt haben, kooperieren wir jetzt mit der Partei Arbeit, Umwelt, Familie. Jede Stimme für die AUF wird eine Stimme für Libertas sein!

Wieviel Vertrauen kann man in eine Formation haben, die es nicht einmal schafft, sich für die Wahl zu qualifizieren?

Ganley: Man muß uns zugute halten, daß die Zeit einfach zu knapp war. Libertas wurde als Partei erst 2008 gegründet, der deutsche Zweig erst März 2009. Von da ab waren es nur noch vier Wochen bis zum Ende der Anmeldefrist.

Die Leute von Libertas Deutschland machten allerdings eher den Eindruck, als sei das Problem ihre völlige Lustlosigkeit.

Ganley: Nein, diese Leute haben sehr viel Arbeit investiert. Man muß aber sagen, daß die Bedingungen, sich in Deutschland für eine Wahl anzumelden, recht einschüchternd sind: Die Barrieren sind ausgesprochen hoch, in den meisten anderen EU-Ländern ist es viel einfacher. Es ist nicht gut für die Demokratie, wenn die Etablierten solche Regeln schaffen, um ihr Kartell zu bewahren.

Über dreißig Parteien treten hier zur Wahl an. Alle außer Libertas waren in der Lage, die Voraussetzungen zu erfüllen.

Ganley: All diese Parteien hatten im Gegensatz zu Libertas genug Vorbereitungszeit. Aber in Zukunft werden die Deutschen Libertas auch direkt wählen können. Nur diesem Sonntag müssen sie uns eben über die AUF-Partei unterstützen. Ich betone daher noch einmal: Es ist allen Deutschen möglich, Libertas am Sonntag zu unterstützen! Wählen Sie AUF! Arbeit, Umwelt, Familie – informieren Sie sich unter www.auf-partei.de! Deutschland ist der wichtigste EU-Mitgliedsstaat, und Libertas kann deshalb nicht auf die deutschen Wähler verzichten!

Warum haben Sie sich ausgerechnet AUF ausgesucht, es gibt noch mehr EU-kritische Parteien in Deutschland.

Ganley: Ich möchte klarstellen: Wir sind keine Anti-Europäer, wir sind nicht einmal per se gegen die EU. Uns geht es darum, die Demokratie zu bewahren. Leider herrscht in der EU aber ein schweres Demokratiedefizit. Und dieses Defizit wird durch den Lissabon-Vertrag zementiert. Das ist es, was wir bekämpfen. AUF ist eine christliche zentrierte Partei, das ist in Ordnung, war aber nicht der Grund dafür, daß wir sie ausgewählt haben. In Spanien etwa kooperieren wir mit einer eher sozialistischen Partei. Entscheidend war, daß es sich bei AUF um eine honorige, seriöse Partei handelt, die bezüglich des Lissabon-Vertrags auf unserer Linie liegt.

Realistisch gesehen hat sie am Sonntag aber praktisch keine Aussicht auf Erfolg.

Ganley: Warten Sie doch mal die Wahl ab! Sprechen Sie nicht gleich jede Aussicht auf Erfolg ab. Das ist nicht fair. Es ist doch so: Wenn die deutschen Wähler verstehen, daß sie über AUF Libertas unterstützen können, dann wird vielleicht das Unerwartete passieren.

Was wird Libertas im Europaparlament unternehmen, um den Lissabon-Vertrag zu verhindern?

Ganley: Vor allem werden wir dort konstruktive Politik machen. Das ist ganz wichtig! Es ist nicht so, wie immer wieder unterstellt wird, als wollten wir dort nur durch Störmanöver den Betrieb aufhalten. Nein, wir werden zielstrebig Reformen vorschlagen und einfordern. Etwa eine Pflicht zur Registrierung für alle Lobbyisten. Derzeit gibt es über 16.000 Lobbyisten in Brüssel. Diese Verhältnisse leisten also der Korruption Vorschub. Wir dagegen wollen Transparenz! Außerdem unsere „Zwei für eine“-Regel: Das heißt, für jedes Gesetz das eingebracht wird, müssen zwei bereits bestehende Gesetze benannt werden, die sich als sinnlos erwiesen haben und zurückgenommen werden sollten. Wenn sie sagen, sie finden keine sinnlosen Gesetze, dann wird Libertas ihnen dabei helfen! Und wir wollen, daß alle Gesetze nach 8 bis 15 Jahren überprüft werden. Nur was sich wirklich bewährt hat, kann bleiben. All das wird die Korruption und Bürokratie zurückdrängen und Brüssel viel effizienter machen.

Was ist aber mit dem Lissabon-Vertrag?

Ganley: Ihn zu verhindern, ist natürlich unser erstes Ziel. Gerade habe ich mit Präsident Václav Klaus in Prag gesprochen. Ich bin sicher, er wird nicht nachgeben. Ihr Bundesverfassungsgericht dagegen sehe ich unter gewaltigem politischen Druck. Die letzte Bastion wäre dann Irland, wo die Regierung ein neues Referendum ansetzen will. Wenn aber am Sonntag genug Europäer für Libertas stimmen, dann wird Dublin keine zweite Volksabstimmung wagen! Das heißt, jetzt bei dieser Wahl können nicht nur die Iren, sondern wir alle etwas dafür tun, um Europa vor Lissabon zu retten!

 

Declan Ganley. Der irisch-britische Millionär, Jahrgang 1968, ist Gründer und Vorsitzender von Libertas (www.libertas-deutschland.de).

Foto: Declan Ganley: „Den Lissabon-Vertrag zu verhindern, ist unser Ziel“

 

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