© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/09 05. Juni 2009

Kinder haften für ihre Eltern
Staatsausgaben: Das „Bad Book“ des Steuerzahlerbundes analysiert Finanzkrise und Konjunkturprogramme
Michael Paulwitz

Politiker haben die globale Wirtschafts- und Finanzkrise verursacht, und mit untauglichen Versuchen, sie zu bekämpfen, sind sie drauf und dran, weiteres Unheil anzurichten: So sieht es der Bund der Steuerzahler (BdSt). Dessen „Bad Book“ dröselt die Verstrickungen sämtlicher staatlicher Ebenen in die Finanzkrise auf und warnt vor der Anhäufung unverantwortlicher Schuldenrisiken und vor der Verschwendung von Konjunkturmitteln.

Über dem wohlfeilen Anprangern gieriger Manager und zockender Banker vergißt man gerne die unrühmliche Rolle staatlicher Instanzen als Auslöser und Akteure der Finanzkrise. Zu Recht weist das „Bad Book“ darauf hin, daß die US-Immobilienblase und das Entstehen eines Subprime-Sektors für wackelige Hypothekenkredite eine direkte Folge politischer Einmischung in den Markt war. Eigenheime für jedermann und Konsum auf Hypothekenkreditbasis war politisch gewollt, „die Aufforderung zur Kreditparty der vergangenen Jahre kam von der Politik“.

Mißwirtschaft zu Lasten der Steuerzahler

Der Hebel zur Umsetzung waren die schon vor der Verstaatlichung regierungsgestützten Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac, die als Marktführer den Takt vorgaben. Was „Fannie“ und „Freddie“ für US-Regierung und Kongreß sind, das sind für deutsche Regierungen und Parlamente in Bund und Ländern die IKB (an der die staatliche KfW eigentlich nur mit 38 Prozent beteiligt war, JF 19/09) und die diversen Landesbanken: öffentliche Geldinstitute, in deren Vorständen sich mehrheitlich unerfahrene Politiker tummeln, die politische Vorgaben umsetzen müssen, aber auch mit dem Steuerzahler als Bonitätsgaranten sich reichlich und zu guten Konditionen mit Krediten versorgen können.

Kein Wunder also, daß die Finanzkrise dort zuerst und am härtesten durchgeschlagen hat. Nimmt man die aus bislang undurchsichtigen Gründen mit staatlichem Milliardenaufwand gerettete IKB sowie die KfW und die Landesbanken zusammen, „trugen bis dato die deutschen Staatsbanken fast zwei Drittel der hiesigen Verluste aus der Finanzkrise“. Gerade bei den Landesbanken hat die Mißwirtschaft zu Lasten der Steuerzahler krisenunabhängig Tradition. Ihre Renditen sind notorisch schlecht, bereits in den anderthalb Jahrzehnten von 1991 bis 2005 brauchten die Landesbanken rund 8,75 Milliarden Euro als Kapitalspritzen vom Steuerzahler.

Die Landesbanken, urteilt das „Bad Book“, haben sich „in der Finanzkrise endgültig als unkalkulierbares Risiko für die Steuerzahler erwiesen“. In den Aufsichts- und Verwaltungsräten sitzen Landespolitiker, die vor allem „Rendite sehen“ wollen – „das trieb die Landesbanken immer mehr auf die internationalen Finanzmärkte“, wo sie sich besonders gern mit amerikanischen Schrottpapieren eindeckten. Nach Fusionen und Gesundschrumpfen empfiehlt der Steuerzahlerbund die Privatisierung der öffentlichen Geldinstitute.

Auf allen politischen Ebenen war die öffentliche Hand in Deutschland Akteur und nicht etwa unbeteiligter Zuschauer der Finanzkrise. Auch Städte und Gemeinde verhoben sich reihenweise an komplizierten Swap-Geschäften zur Zinsabsicherung und setzten mit „Cross Border Leasing“ (CBL) schlimmstenfalls bis zu 30 Milliarden Euro in den Sand (JF 50/08). Doch selbst wenn die „Barwertvorteile“ aus diesen grenzüberschreitenden Transaktionen, die mit Zeitverkauf und Rückmietung kommunaler Infrastruktur ein inzwischen gestopftes US-amerikanisches „Steuerschlupfloch“ ausnutzten, erhalten geblieben wären: CBL war „volkswirtschaftlicher Unfug, ja Verschwendung. CBL-Verträge zu ersinnen, kostete wertvolles Humankapital in Stadtverwaltungen, Banken und Anwaltskanzleien. Aber ein volkswirtschaftlicher Mehrwert ist nicht entstanden.“

Weitere Verschwendung droht bei der Bekämpfung der Krise durch die Umsetzung der 80 Milliarden Euro schweren und fast gänzlich schuldenfinanzierten „Konjunkturpakete“, mit denen die Pro-Kopf-Verschuldung eines jeden Einwohners um über tausend Euro ansteigt. Stein des Anstoßes ist nicht allein die fünf Milliarden Euro schwere „Abwrackprämie“, die zu 75 bis 95 Prozent „Mitnahmeeffekte“ auslöst, nur zu einem guten Drittel bei den deutschen Autobauern ankommt, anderen Branchen Umsatz entzieht und unterm Strich „eher der Großen Koalition im Wahlkampf nützt als der Wirtschaft in der Krise“.

Neue Gefahren auf allen politischen Ebenen

Unkontrollierte Steuergeldverschwendung wird nach Ansicht des BdSt vor allem deshalb wahrscheinlich, weil Vergaberichtlinien gelockert wurden, der aufgebaute Zeitdruck zu undurchdachten Ad-Hoc-Investitionen verleitet und die eigentlich von der Verfassung gebotene Wirtschaftlichkeitsprüfung, deren Unterlassung die Rechnungshöfe ohnehin beharrlich anprangern, in der Krisenbewältigungseuphorie erst recht unterbleibt. Wiederum lauert die Gefahr auf allen politischen Ebenen. Der Bund genehmigt sich Konjunkturmilliarden, um auf Pump allerlei schöne neue Sachen und modernere Technik für Bundesministerien anzuschaffen, Bahnhöfe aufzuhübschen und die ohnehin von der Wirtschaft intensiv betriebene Forschung zur „Elektromobilität“ noch zusätzlich zu subventionieren.

Zehn Milliarden Euro sind als Finanzhilfen für Investitionen der Kommunen und Länder vorgesehen. Nach Auswertung „umfangreicher Projektlisten“ wittert der Steuerzahlerbund „enorme Verschwendungsgefahren“: Mal sollen mit den Schuldenmilliarden unnötige Wunschprojekte und fragwürdige Spielereien finanziert werden, ein Teil des Geldes soll in notorischen Fässern ohne Boden verschwinden; Baden-Württemberg will als „Konjunkturmaßnahme“ erst mal den Stellenplan der öffentlichen Verwaltung aufblähen. Unspektakuläres, aber dringend Notwendiges wie etwa Schulsanierungen bleiben dagegen liegen; lieber installiert man in maroden Schulräumen angeblich „lernfreundliche“ neue Beleuchtungssysteme.

Einen Lichtblick sieht das „Bad Book“ hingegen im erweiterten Prüfrecht des Bundesrechnungshofs, das im Entwurf des Zukunftsinvestitionsgesetzes enthalten ist. Der BdSt rät zur Einschaltung neutraler Preisüberwachungsstellen vor der Vergabe von Aufträgen und appelliert an das Augenmaß der Verantwortlichen, „nicht bis zum letzten Cent die bereitgestellten, schuldenfinanzierten Gelder zwanghaft auszugeben“. Schließlich folgen den Milliarden zusätzlicher Schulden irgendwann einmal milliardenschwere Rückzahlungen. Kinder haften für ihre Eltern – da helfen auch die frommen Wünsche des Bundes der Steuerzahler nichts.

Das „Bad Book“ des BdSt im Internet: www.steuerzahler.de/files/65/Bad_Book.pdf

Foto: Ortsausgangsschild zum Konjunkturpaket: Steuerzahlerbund sieht enorme Verschwendungsgefahren

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