© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/09 05. Juni 2009

Pankraz,
der Religionsrat und die Kosten von Yoga

In der Türkei hat der sogenannte „Religionsrat“ auf seiner jüngsten Tagung in Ankara den Yoga verdonnert und öffentlich gebrandmarkt. Der türkische Religionsrat ist eine staatliche Einrichtung, die dem Bürger regelmäßig Ratschläge (recte: Anweisungen) für „richtige“, also gut islamische und trotzdem staatstreue, Religionsausübung gibt. Nicht gerade die feine liberale Art, sollte man meinen. Aber was er jetzt über Yoga verlautbarte, ist trotzdem überlegenswert, zumindest interessant, auch in Hinblick auf unsere mitteleuropäischen Verhältnisse.

Yoga, so der Tenor aus Ankara, ist bei Lichte betrachtet reine Zeit- und Kraftverschwendung und schon deshalb gotteslästerlich und lächerlich zugleich. Yoga vermengt andauernd Dinge, die nicht zusammengehören, bläst pure Selbstverständlichkeiten zu riesigen Daseinsblasen auf und läßt letztlich jedes gesunde Maß vermissen, indem er die von ihm praktizierten Übungen und Askesen gewaltsam in Regionen vortreibt, wo sie in Wahnsinn, Halluzination und Körperverletzung umschlagen. Jeder gute Moslem sollte sich vor Yoga und seinen Propheten hüten.

Wie gesagt, solche Urteile beschäftigen inzwischen auch viele hiesige Gemüter. Yoga ist hierzulande, auch und gerade in Zeiten der Krise, eine ausgesprochene Wachstumsbranche. Es wimmelt von Kursus-Angeboten der verschiedensten Schulen und Benennungen, Yama, Nivama, Asamas, Pratyahara, Kriyas, Yogasana. Es gibt Yoga extra für Frauen und Yoga extra für Kinder. Es gibt eine riesige Yoga-Literatur, preiswerte, prächtig bebilderte Yoga-Magazine, einen deutschen Berufsverband der Yoga-Lehrer (BDY), aber auch „Yoga zum Selbermachen“, nebst vielen Yoga-Läden, wo Yoga-Matten, Yoga-Kissen, Yoga-Hosen und Yoga-Hemden angeboten und erfolgreich vermarktet werden.

Die Stichworte der Bewegung lauten: Konzentrieren, richtig Atmen, Entspannen, strenge Diät, Askese, Meditation, Herr werden über sich selbst, über seine Affekte, Wünsche und sonstigen Antriebe. An sich sind das auch die Forderungen unserer modernen abendländischen Gesundheits- und Geistespflege. Mens sana in corpore sano. Doch der asiatische, vor allem indische und buddhistische, Yoga verheißt viel mehr als bloß einen gesunden Geist in einem gesunden Körper. Er weitet die Sache zur Religion.

Yoga, verkündet er,  sei der Weg zum absoluten Heil, zur Vereinigung unseres individuellen Geistes („Atman“) mit dem „Brahman“, also mit Gott oder der Weltseele überhaupt. Und bereits auf diesem Wege erfahre man, die richtigen Übungen und Diäten vorausgesetzt, unerhörte Begebnisse und Einsichten, volle Regentschaft über Körperorgane beispielsweise, die üblicherweise „machen, was sie wollen“ und sonst nur durch medizinische Eingriffe von außen zur Räson gebracht werden können. Man lerne am Ende wahrhaftig zu „levitieren“, d. h. sich durch bloße Willenskraft in die Lüfte zu erheben.

Viele Westler sind mittlerweile von der yogistischen Propaganda so eingeschüchtert, daß sie kaum noch zu widersprechen wagen und selbst die „Levitation“ bewundernd schlucken. Nicht so der türkische Religionsrat. Fliegen mittels bloßer Willensstärke sei purer  Unsinn, urteilt er, und er hat natürlich recht damit. Ja, der menschliche Wille kann Berge versetzen, wie die Bibel sagt, doch er benötigt dazu handfeste technische Zwischeninstanzen, Bagger, Elektromotoren, Superkräne, Gerätschaften, die Wille & Geist sich vorher ausgedacht und die sie planvoll konstruiert haben. Der Weg zur Weltveränderung führt auf jeden Fall von innen nach außen und nicht von außen nach innen.

Meditation um ihrer selbst willen hingegen, der „Weg nach innen“, ist ein höchst fragiler Geisteszustand. Buddhas Sitzen im Lotus, das große Symbol gelungener Meditation, sieht zwar sehr schön und ehrfurchtgebietend aus, aber hineinsehen in die Seele des Sitzenden können wir nicht. Was mag er sich denken, dieser Buddha, da sich sein Atman mit dem Brahman vereinigt? Er ist auf dem Gipfel des Seins, das mag so sein, aber etwas denken muß er sich auch dabei wohl. Denn der lebendige menschliche Geist hält es keine Sekunde bei sich aus. Er muß sich verdoppeln, das ist das mindeste, er muß sich in Gefühl und Sprache verwandeln. Andernfalls wäre er tot.

Oder er wäre wahnsinnig, nicht mehr bei sich selbst, in Halluzinationen und mithin in eine Gottesferne verstrickt, wie sie ferner nicht sein kann. Auch da hat der Religionsrat in Ankara recht; Yoga läuft dauernd Gefahr, zu übertreiben und dabei das Gegenteil des gemeinten Zustands herzustellen. Je größer die Entschlossenheit, zur wahren Meditation durchzustoßen, um so größer auch die Mißachtung der eigenen naturgegebenen Körpermöglichkeiten. Die Askese wird bis zur Grenze des Verhungerns vorgetrieben, das Auf-einem-Bein-Stehen bis zum gräßlichsten Wadenkrampf. Wo soll denn da die große Gelassenheit herkommen?

Yoga bedeutet im wortgebenden Sanskrit ganz unverblümt „Ins Joch spannen“, so wie man in der Feldwirtschaft die Ochsen ins Joch spannt, damit sie den Pflug ziehen. Und Pankraz, der eine große Achtung vor dem Ursprung der Wörter hat, fragt sich: Wie läßt sich das Bild vom Ochsen im Joch auch nur halbwegs zur Deckung bringen mit dem erhabenen Bild des Buddha in der Lotusblüte? Eine gerade, streng logische Verbindung vom einen zum anderen erscheint unwahrscheinlich. Die vielen Schulen und Lehren vom Yoga und seinen Folgen passen nicht zusammen. Man sollte sich ihnen auf jeden Fall selektiv nähern.

Große Seelentriumphe sind kaum zu erwarten, und der Einsatz von Yoga in der modernen Medizin ist sehr umstritten. Manche sagen, man kann mit einigen seiner Methoden Schlafstörungen, nervöse Beschwerden und chronische Kopfschmerzen aussichtsreich behandeln. Nur leider, die Krankenkassen spielen bis heute nicht richtig mit, sträuben sich meistens , die Kosten von Yoga-Kursen zu erstatten. Yoga ist teuer. Und nicht alles, was teuer ist, ist auch wirklich gut.

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