© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/09 12. Juni 2009

Gerhard Besier, einst Hoffnung der Konservativen, kandidiert jetzt für die Linke.
Auf Abwegen
Paul Leonhard

Ein unbequemer und eigenwilliger Kopf ist Gerhard Besier immer gewesen. Die wissenschaftliche Freiheit war ihm stets wichtiger als Political Correctness. Anerkennung hat sich der 61jährige durch seine Forschungen über die Verstrickungen der Institution Kirche mit zwei totalitären Regimen erworben. „Stopp!“ würde der gebürtige Wiesbadener an dieser Stelle rufen. Die DDR sei keine totalitäre, sondern eine autoritäre Diktatur gewesen. Auch die Bezeichnung Unrechtsstaat ist für ihn plötzlich „unsinnige Polemik“. Mancher reibt sich die Augen: Besier, einst von ehemaligen Bürgerrechtlern innerhalb der sächsischen CDU aus Heidelberg als Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung nach Dresden geholt, plötzlich „im Bett“ mit den Kommunisten?

Wer Besiers Entwicklung verfolgt hat, den überrascht das wenig. Der Historiker war nie ein konservativer Hoffnungsträger. Die Sachsen-Union hatte sich einfach von einem Lob in die Irre leiten lassen, das Helmut Kohl 2001 Besiers Buch „Die Kirchen und das Dritte Reich“ zollte. Als der Professor im Herbst 2003 in die Schlagzeilen geriet, weil er die Pseudokirche Scientology als Vorkämpfer für religiösen Pluralismus würdigte, vollzog die damalige PDS eine interessante Kehrtwende: Erst verlangte sie den Rücktritt Besiers, dann stellte sie sich im Namen der Religions- und Wissenschaftsfreiheit hinter ihn. Und als feststand, daß sein 2008 auslaufender Vertrag als Institutsdirektor nicht verlängert werden würde, erkannte Linksfraktionschef Peter Porsch  ein „Kesseltreiben gegen einen Wissenschaftler“. Besier reagiert mit der Forderung, einen Schlußstrich unter die Stasi-Debatte – speziell im Fall Porsch – zu ziehen.

Seitdem genießt Besier, der mit einem Lehrstuhl für Europastudien an der TU Dresden beruflich abgesichert ist, die linke Umarmung. Als die Kommunistische Plattform Anfang des Jahres ein von ihm mit erarbeitetes Thesenpapier kritisierte, weil in diesem die „gesellschaftlichen Vorzüge des untergegangenen Sozialismus“ nicht gewürdigt wurden, beeilte er sich, die Partei als „geläutert“ und wie keine andere „lern- und diskursfähig“ zu bezeichnen. Prompt wurde er  in das Kompetenzteam für den Landtagswahlkampf gerufen und als Kandidat aufgestellt. Und offensichtlich steht Besier mit seiner neuen Gesinnung an seinem Lehrstuhl nicht alleine: In einem Wahlaufruf wirbt auch Katarzyna Stoklosa für die Linkspartei; die 35jährige Kulturwissenschaftlerin ist Assistentin Besiers und Co-Autorin seines Buches zur deutschen Einheit.

In einem Welt-Interview hatte er einst gemahnt, „das Bedürfnis nach Sicherheit, der Neidkomplex, dieser Hang zu utopischen Gleichheitsvorstellungen“ in der deutschen Gesellschaft müßte „kritisch analysiert und erforscht werden“. Er scheint beschlossen zu haben, das Problem aus der Sicht eines Parteimitglieds zu studieren. Ein finanzielles Risiko geht Besier dabei nicht ein – er ist sächsischer Staatsbeamter.

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