© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/09 12. Juni 2009

Vorgriff auf die neue Ordnung
Jürgen Habermas: Eine Vita für den Universalismus
Kai Zirner

Der Gesellschaftstheoretiker Jürgen Habermas wird am 18. Juni 1929 in Düsseldorf geboren. Nach einem geisteswissenschaftlichen Studium promoviert er 1954 bei Erich Rothacker in Bonn über den Idealisten Schelling. Bereits 1953 eröffnet er den ersten seiner zahlreichen politischen Angriffe, und zwar gleich auf Martin Heidegger in der FAZ. Anlaß war ein wiederaufgelegter Text Heideggers aus dem Jahr 1935, den der Philosoph zuvor nicht politisch korrekt gesäubert hatte.

1956 kommt Habermas ans Frankfurter Institut für Sozialforschung. 1961 habilitiert er sich dort bei Wolfgang Abendroth mit der Studie „Strukturwandel der Öffentlichkeit“, einer Schrift, die heute zu den Klassikern der Kommunikations- und Geschichtswissenschaft zählt, aber auch oft wegen ihrer normativen Vorstellungen der bürgerlichen Öffentlichkeit und ihres Verfalls kritisiert wird.

Zwischen 1964 und 1971 bekleidet er erstmals eine Professur für Philosophie und Soziologie an der Universität Frankfurt. Aus seiner Antrittsvorlesung heraus entsteht die Studie „Erkenntnis und Interesse“, die große Verbreitung findet. Nach einem Intermezzo als Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt in Starnberg kehrt er nach Frankfurt zurück, wo er bis zu seiner Emeritierung 1994 lehrt. 1981 veröffentlichte Habermas sein zweibändiges Hauptwerk „Theorie des kommunikativen Handelns“, in dem er seine Diskurstheorie entwickelt.

Während der Studentenrevolte entgleitet Habermas in einer Diskussion mit Rudi Dutschke das später bedauerte Wort vom drohenden „linken Faschismus“.

Oft, etwa in der Debatte um den „Neokonservatismus“ der 1970er Jahre oder dem Historikerstreit von 1986/87, greift er direkt (vermeintlich) konservative und in nationalen Traditionen stehende Positionen an, die er für politisch gefährlich hält. Habermas tritt für eine postnationale, universalistisch orientierte Demokratie ein, die europäisch und letztlich global organisiert sein soll. Gegen rückständige und unbotmäßige Nationalstaaten darf diese Weltallianz dann auch militärisch aktiv werden; so verteidigt Habermas den völkerrechtswidrigen Kosovo-Krieg des Westens als „Vorgriff“ auf eine künftige Weltordnung.

Die Analysen der mörderischen Konsequenzen dieses Universalismus, etwa aus der Feder des Staatsrechtlers Carl Schmitt, kennt Habermas nur zu gut und befürchtet deren subkutane Verbreitung.

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