© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/09 12. Juni 2009

Evolution in Öl
Darwin in der „Schirn“
Claus-M. Wolfschlag

Vor zweihundert Jahren wurde der Naturforscher Charles Darwin geboren. Diesem Jubiläum widmete die Frankfurter Kunsthalle „Schirn“ in diesem Jahr eine Ausstellung, die sich mit den künstlerischen Folgen der Evolutionstheorie beschäftigte. Der dazu erschienene kunsthistorische Begleitband ist insofern bemerkenswert, als sein Schwerpunkt eher auf dem historischen denn dem spezifisch künstlerischen Bereich liegt, geht es doch um die mannigfaltige Rezeption einer naturgeschichtlichen Theorie.

Viele frühe Verbreiter darwinistischer Theorien werden in dem opulenten Bildband vorgestellt. Man sieht etwa die putzigen Affenbilder des Forschers Gabriel von Max. Der Misanthrop Max lebte in seinem Sommerhaus am Starnberger See bald nur noch mit seiner selbstgezüchteten Affenherde zusammen. Kontakt hielt er nur mit wenigen Menschen, unter anderem Albert von Schrenck-Notzing, dem Großvater des späteren Criticón-Herausgebers. Das Buch zeigt auch Ernst Haeckels wegweisende Zeichnungen zur Morphologie von niederen Meeresorganismen, deren organische Formen im späteren Jugendstil stilprägend aufgegriffen wurden. Haeckel fungierte als Darwins umtriebigster deutscher Vorkämpfer, und selbst ein H. R. Giger, Schöpfer des berühmten „Alien“-Filmmonsters, dürfte von seinen Arbeiten über die Schildtiere noch indirekt beeinflußt worden sein.

Der Leser begegnet Martin Johnson Heades bezaubernden Tropenszenerien, in denen der Daseinskampf in ein paradiesisches Licht aus exotischen Vögeln und bunten Orchideen gerückt wurde. Oder aber den im historistischen Stil gefertigten Ölgemälden eines Léon Maxime Faivre, die das Leben von Steinzeitmenschen darzustellen versuchten. Man sieht symbolistische Versuche zu evolutionären „Bindegliedern“, etwa Alfred Kubins phantastische Sumpfwesen oder Arnold Böcklins im Wasser tollende Nixen. Deren teils antiken Hintergrund wertete man als einstige mythologische Ahnung der evolutionären Entwicklung.

Auf der anderen Seite wurde Darwin selbst für die Karikatur herangezogen und dabei gerne mit einem Affenkörper versehen. Jahrmarktbetreiber präsentierten exotische Menschen mit Genkrankheiten als evolutionär zurückgebliebene Urwesen. Mit Max Ernsts düster-phantastischen Zukunftsvisionen im Gefolge moderner Kriegserfahrungen stellt das Buch schließlich die Frage, ob die Evolution womöglich auch ihr Ende in der Selbstvernichtung finden könnte.    

Pamela Kort, Max Hollein (Hrsg.): Darwin. Kunst und die Suche nach den Ursprüngen. Wienand-Verlag, Köln 2009, broschiert, 288 Seiten, Abbildungen, 29,80 Euro

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