© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/09 12. Juni 2009

Frisch gepresst

Jünger-Scholem. Nur neun kärgliche Seiten benötigt der Germanist Detlev Schöttker, um in Sinn und Form (3/09) den Notenwechsel zwischen zwei alten Männern mitzuteilen. Der Inhalt der wenigen Zeilen, die sie zwischen 1975 und 1981 austauschten, ist dabei belanglos. Wichtig ist allein, wer sich da austauschte, Gershom Scholem und Ernst Jünger nämlich – darüber zum Beispiel, ob man 1914 in Hannover zusammen die Schulbank drückte. Dabei erfährt Jünger, daß er nicht dem nachmalig weltbekannten Kabbalah-Deuter, sondern dessen Bruder Werner begegnet ist, einem KPD-Aktivisten, der 1940 im KZ Buchenwald umkam. Der jüdische Gelehrte fragt dann noch nach Jüngers etwaiger Beteiligung an einem Rettungsversuch für Walter Benjamin, 1940 in Paris, aber der erinnert sich nicht mehr. Gleichwohl feiert der unbedarfte Ijoma Mangold diese Mini-Edition wortreich als „prächtige Entdeckung“ (Die Zeit, 2/09). In „bewährt öliger Art“ (Mangold über EJ) spreizt sich hier ein „zur Konvention erstarrter Philosemitismus“ (Werner Kraft), der selbst einen Gershom Scholem noch mit Betroffenheitskitsch behelligt, weil er „Buchenwald in lakonische Klammer(n)“ setzt und Mangold dies „kaum zu ertragen“ vermag. Ebensowenig wie sein ahistorischer Moralismus diese „unwahrscheinliche Verbindung“ zwischen einem Zionisten und einem „Verächter Weimars“ versteht. Dabei ist sie gar nicht so „unwahrscheinlich“, wie Heimo Schwilk findet (Welt am Sonntag, 22/09): Jünger und Scholem habe doch geeint, daß sie beide die jüdische Assimilation „radikal“ ablehnten.

 

Mittelosteuropa. Die niederländische Journalistin Annemieke Hendriks ist zu „einer Reise zu Familien in der Mitte Europas“ aufgebrochen. Eines haben die Gastgeber ihrer dortigen Hausbesuche gemeinsam: Sie konservieren im familiären Maßstab die Völkervielfalt in Regionen, die sich bis 1917 drei Kaiserreiche teilten. Daß diese Vielfalt auch vierzig planierende Jahre kommunistischer Diktatur überdauerte, erfährt Hendriks bei einer ungarisch-deutschen Familie in Pécs, bei einer ungarisch-rumänisch-schwäbischen Familie im Norden Rumäniens oder bei einer lettisch-russischen „Allianz“ in Kurland. Die Präsenz des Vergangenen spürt man besonders eindrucksvoll im niederschlesischen Jannowitz, wo ein polnisch-niederländisches Ehepaar versucht, von deutschen Touristen zu leben, welche „nie ein böses Wort über Europa oder Polen“ verlören. Ihnen gegenüber würden die seltsamen und „politisch immer sehr korrekten“ Deutschen nicht müde zu erwähnen, „wer den Krieg angefangen hat“. Guido Knopp und die Bundeszentrale für politische Bildung werden so etwas gern lesen (Unheile Heimat. Edition Körber-Stiftung, Hamburg 2009, gebunden, 331 Seiten, Abbildungen, 20 Euro).   

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen