© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/09 19. Juni 2009

„Wir brauchen Blut, Schweiß und Tränen“
Konservatismus: Das Studienzentrum Weikersheim widmet seinen 30. Jahreskongreß der weltweiten Wirtschaftskrise und kämpft mit eigenen Problemen
Torsten Uhrhammer

Anders als in den USA, wo bis heute Dutzende konservative Forschungsinstitute wirkmächtig sind, ist die Quantität und die Einflußmöglichkeit deutscher konservativer Denkfabriken begrenzt. Neben der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung und der CSU-nahen Hans-Seidel-Stiftung – beide mit Steuergeldern durchfinanziert – finden sich das dezidiert nicht parteigebundene Institut für Staatspolitik und die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft.

Dazwischen verortet sich das Studienzentrum Weikersheim (SZW). Es war der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU), der das SZW 1979 auf Schloß Weikersheim ins Leben rief. Noch heute ist bei den „Weikersheimern“ der Wunsch nach Nähe, Anerkennung und Einfluß auf die CDU groß. Doch deren Gegenliebe schwindet in dem Maß, wie die Union sich ihrer konservativen Wurzeln entledigt. Zuletzt hatten Ministerpräsident Günther Oettinger und eine Reihe anderer CDU-Funktionäre ihre SZW-Mitgliedschaft im Zuge der medial skandalisierten Traueransprache Oettingers zu Ehren Hans Filbingers aufgegeben.

Als einziger aktiver CDU-Politiker im SZW-Präsidium verblieb der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm. Daß dieser auch sonst ein Freund klarer Worte ist, verdeutlichte er am vergangenen Wochenende anläßlich des 30. Jahreskongresses des SZW. Zum Verhältnis zu seiner Partei sagte der mittlerweile aus der CDU-Spitze abgewählte Konservative: „Im Präsidium der CDU war ich der einzige, der keinen duzte, weil ich erstens keinen von früher kannte und zweitens keinen Wert darauf legte.“

Auch an der wirtschaftspolitischen Kompetenz eines Teils der Union zweifelte er. In einer CDU-Veranstaltung habe er  – ohne ihn zu nennen – Ludwig Erhard zitiert und lautstarke Proteste geerntet. Schönbohm hingegen legte ein klares Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft ab. „Wir brauchen Blut, Schweiß und Tränen, um aus der Krise zu kommen“, aber auch „Glaubwürdigkeit und Zuversicht“ der politischen und ökonomischen Eliten. Sorge bereitete Schönbohm, daß alle über die wirtschaftliche Krise redeten, aber niemand über die geistige Krise des Landes.

Für die geistigen Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft warf sich auch der FAZ-Redakteur Philip Plickert in die Bresche. „Wir leben in einem halb-sozialistischen System!“ meinte der promovierte Volkswirt mit Blick auf die auf 50 Prozent hochschnellende Staatsquote.

Der gerade mit dem Ludwig-Erhard-Preis ausgezeichnete Journalist kritisierte die CDU-Vorsitzende: „Keiner weiß, wofür Merkel steht, außer für Machtopportunismus!“ und bedauerte, daß „in der Union nur zu Guttenberg ordnungspolitisch aufgestellt ist“. Der Staat habe sich in die Aufgaben der Familien eingemischt und über die Transfersysteme Bindungen gelockert und traditionelle, gewachsene soziale Strukturen zerstört. Er forderte eine Rückkehr zum preußischen Ethos und zu konservativen Tugenden.

Philip Kiril Prinz von Preußen näherte sich den Grundlagen unserer Ordnung von theologischer Seite. Der junge Pfarrer und Vater von sechs Kindern postulierte ganz offensiv: „Wir haben die Lösung für die Krise!“ und meinte damit selbstverständlich das Christentum. Den neuzeitlichen Kommunismus bezeichnete er als „gottlosen Neid“. Alarmiert durch die demographische Katastrophe forderte der Prinz ein Umdenken. Attraktiv sei an Deutschland wohl nur noch das Sozialsystem. Ausländische Spitzenkräfte gingen lieber in andere Länder, uns verbleibe die massenhafte Zuwanderung in die Sozialsysteme. Die Situation verschlimmere sich dadurch, daß sich einige Ärzte „ihr Einkommen über das Umbringen kleiner Menschen sichern“. Nur der Eintritt in die Beziehung zu Jesus Christus könne unser Herz verändern, empfahl der brandenburgische Pfarrer.

Die Grundlagen Europas und seine Klage gegen den Lissabon-Vertrag waren das Thema des ehemaligen CSU-Abgeordneten Franz Ludwig Schenk Graf von Stauffenberg. Scharf kritisierte er die Demokratiedefizite in der EU. Er sei ein überzeugter, ja „militanter“ Europäer – und gerade deswegen gegen den jetzigen Zustand der EU. Stauffenberg gab seiner Hoffnung Ausdruck, daß wenigstens das Bundesverfassungsgericht der Selbstentmachtung des Bundestages noch Einhalt gebieten werde.

Mit einer abschließenden Podiumsdiskussion unter Beteiligung des Privatbankiers Georg Thilenius und der Unternehmensberater Ulrich Wlecke und Fritz Schneider endete der 30. Jahreskongreß des Studienzentrums und machte so schon fast vergessen, daß es in der vorausgegangenen Mitgliederversammlung zu zum Teil so kontroversen Diskussionen kam, daß man sich über finanzielle und personelle Themen bis in den Herbst vertagen mußte. Der SZW-Präsident Bernhard von Diemer sieht durch den Abbau von Fixkosten aber die Zukunft des Studienzentrums auf jeden Fall gesichert.

Weitere Informationen im Internet unter www.studienzentrum-weikersheim.de 

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