© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/09 19. Juni 2009

WIRTSCHAFT
Karlsruher Wegweiser
Jens Jessen

Dreieinhalb Monate vor der Bundestagswahl hat das Bundesverfassungsgericht dem umstrittenen Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG, JF 5/08) ein Gütesiegel verliehen. Die privaten Krankenversicherungen (PKV) dürfen in die Pflicht genommen werden, die gesetzlichen Kassen (GKV) zu entlasten. SPD-Ministerin Ulla Schmidt kann aufatmen. Seit Januar hat das GKV-WSG eine Versicherungspflicht für alle Einwohner Deutschlands in der GKV oder der PKV begründet. Dazu gehört auch das Angebot eines Basistarifs, der auf Antrag GKV-ähnlichen Versicherungsschutz in der PKV gewährt. Selbst der zum Finanzkonzern AWD gewechselte Ex-Wirtschaftsweise Bert Rürup prognostizierte, daß aufgrund der Höhe des Basistarifs – derzeit 570 Euro pro Monat – kein massenhafter Wechsel der privat Versicherten zu erwarten ist.

Obwohl die Wechselfrist für Altkunden schon Ende Juni abläuft, haben weniger als ein Prozent von 8,6 Millionen PKV-Versicherten gewechselt. Das hat auch damit zu tun, daß der Basistarif in den zentralen Leistungen weitaus weniger bietet als der PKV-Normaltarif. Karlsruhe hat daraus den überzeugenden Schluß gezogen, daß die von den Assekuranzen kolportierte Existenzgefährdung der PKV eine Chimäre ist. Obwohl der Basistarif auch aus Sicht der Verfassungsrichter einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der privaten Kassen darstellt, spielt die sich daraus ergebende Einschränkung im Vergleich zu dem überragend wichtigen Gemeinwohlbelang eine untergeordnete Rolle. Die Verbindung von Versicherungspflicht und Kontrahierungszwang im Basistarif bietet insbesondere Menschen mit gravierenden Vorerkrankungen die Möglichkeit, in eine PKV aufgenommen zu werden – sie wären im Zweifel der Solidargemeinschaft zur Last gefallen.

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