© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/09 26. Juni 2009

Eine zusammengewürfelte Schar
Parteigründung: Gabriele Pauli hat sich mit ihrer „Freien Union“ vorgenommen, das Parteiensystem der Bundesrepublik aufzubrechen
Georg Pfeiffer

Der Saal ist rappelvoll. Etwa vierhundert Interessenten haben sich am Sonntag im Münchner Hofbräukeller zusammengefunden, um der Blitzgründung der „Freien Union“ auf Initiative der früheren Fürther Landrätin Gabriele Pauli beizuwohnen. Mehr als zweihundert Aufnahmeanträge wurden schon gestellt, als die Partei noch gar nicht gegründet war. Um die formalen Voraussetzungen der Anerkennung als Partei und der Zulassung zur Bundestagswahl am 27. September 2009 ging es denn auch im folgenden.

Ein siebenköpfiges Gremium beschloß auf der Tribüne formal die Parteigründung und – einstimmig – die Annahme des Satzungsentwurfs. Dann wurden die vorliegenden Aufnahmeanträge quasi in einem stillschweigenden Sammelbeschluß angenommen. Die Versammlung bildete zunächst eine Wahlkommission. Mit deren Hilfe wurde Pauli ohne Gegenkandidaten nahezu einstimmig zur Parteivorsitzenden gewählt und das Wahlprogramm beschlossen. Alle Beschlüsse standen unter dem Tenor: „Erstmal beschließen! Diskutieren und ändern können wir später.“ Zu diesem Zweck wurde auch die Änderung der Satzung nicht von einer qualifizierten Mehrheit abhängig gemacht, sondern ist mit einfacher Mehrheit möglich. Für die drei Positionen der stellvertretenden Parteivorsitzenden kandidierten mehr als fünfzig Teilnehmer, etwa jedes vierte Mitglied. Sie stellten sich kurz mit Namen, Alter, Beruf, Herkunftsort und einem Bekenntnis zur Idee und Person der Vorsitzenden vor. Was darüber hinausging, wurde im Saal mit Unruhe quittiert.

Improvisiert wurde auch am Rande. Die Aufnahmeanträge gingen aus, die Stimmzettel wurden knapp, die Teilnehmerliste war unvollständig, und die Satzung und der Programmentwurf waren bei weitem nicht in ausreichender Zahl vorhanden, um jedes Mitglied sofort mit einem Exemplar auszustatten. Als Mitgliedsausweise der ersten Stunde dienten kleine improvisierte Pappkärtchen.

Bei den Teilnehmern dominierte die Generation im Vorrentenalter. Ein paar Ältere waren dabei, Junge fehlten fast völlig. Verbindendes Element war die Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen Parteiensystem. „Deutschland braucht eine neue bürgerliche Partei, die im Volk verwurzelt ist“, äußerte sich ein enttäuschter FDP-Wähler. Unter den Kandidaten für den stellvertretenden Parteivorsitzenden waren Rechtsanwälte, Lehrer, Erzieher, Kaufleute, Ruheständler, Ingenieure, eine Mathematik-Studentin und auch ein Erfinder. Die einzigen inhaltlichen Aussagen kamen von Pauli selbst. Sie verwies wiederum hauptsächlich auf ihren Programmentwurf und die auf ihrer Internetseite (www.gabriele-pauli.de) vorgestellten „Grundgedanken“.

Das Programm ist in seinem politischen Teil nicht so harmlos, wie es die Umstände der Parteigründung und die „Grundgedanken“ vermuten lassen. Diese formulieren, „wahre Werte“ seien „Frieden – Liebe – Freude – Geduld“. Jenes sieht neben einigen politischen Gemeinplätzen wie der „Vereinfachung des Steuersystems“ vor, das Grundgesetz dem Volk als Verfassung zur Abstimmung vorzulegen. Die Landesparlamente sollen umgestaltet, insbesondere eine Reihe von Aufgaben auf die kommunale Ebene verlagert werden. Bundeskanzler und Ministerpräsidenten sollen direkt gewählt und so aus der Abhängigkeit von ihren Parteien befreit werden. Bürgern soll auch außerhalb des Parteiensystems die Kandidatur bei Wahlen leichter möglich sein. Auch politische Grundentscheidungen sollen durch Volksabstimmung getroffen werden können.

Wenn diese Positionen ernst gemeint sind, liefe es auf nicht weniger als die Brechung des Machtmonopols der etablierten Parteien hinaus. Dem würden die sicher nicht tatenlos zusehen, aber genau dieses Anliegen schien auch der Kristallisationspunkt zu sein, der die bunt zusammengewürfelte Schar der Teilnehmer unterschiedlichster Herkunft zusammenführt.

Im Aufnahmeantrag muß jeder Bewerber um die Mitgliedschaft versichern, daß er „weder Mitglied noch sonstiger Anhänger, ideeller oder finanzieller Unterstützer rechtsradikaler oder linksextremer Organisationen, Gruppierungen oder anderer Zusammenschlüsse gewesen war oder derzeit ist“. 

Weiterhin erklärt der Bewerber mit dem Aufnahmeantrag, sich gegen rechts-  und linksextreme Organisationen und Tendenzen, Handlungen und Auftritte zu wenden, daß er zu den inkriminierten Gruppierungen auch die NPD, die Republikaner und die DVU zählt und daß er zu deren Aktivitäten auch die Herausgabe von Zeitungen rechnet.

Für die Zulassung zur Bundestagswahl müßte die Freie Union noch eine Reihe von Hürden nehmen. Bis zum 29. Juni muß sie dem Bundeswahlleiter ihre Teilnahme an der Bundestagswahl anzeigen. Bis zum 23. Juli muß sie Landeslisten und Kreiswahlvorschläge einreichen. Jeder Kreiswahlvorschlag muß von mindestens 200 Wahlberechtigten, jede Landesliste von bis zu 2.000 Wahlberechtigten unterzeichnet sein. Außerdem muß der Bundeswahlleiter die Parteieigenschaft der Freien Union feststellen. Das schließt auch die Prüfung ein, ob sie nach verschiedenen Kriterien „ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit“ ihrer Zielsetzung biete. Das könnte angesichts der vollzogenen Blitzgründung unter dem Motto „Erstmal beschließen, später ändern“ durchaus zweifelhaft sein.

Weitere Informationen im Internet unter www.freieunion.de

Foto: Gabriele Pauli auf der Gründungsversammlung: Pappkärtchen als Mitgliedsausweise

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