© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/09 26. Juni 2009

WIRTSCHAFT
Gier ist unökomisch
Jens Jessen

Das in Ökonomie-Vorlesungen gepredigte Modell des Menschen als homo oeconomicus, der rein wirtschaftlich handelt, rational und vernunftgeleitet vorgeht, hat angesichts der Finanzkrise wohl ausgedient. Die Neuroökonomie als Hybrid aus der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Neurologie, Psychologie und Ökonomie arbeitet an Erklärungsansätzen für irrationale Verhaltensweisen im Wirtschaftsleben, um unökonomisches Agieren zu vermeiden. Der von dem Unternehmenshistoriker Manfred Pohl gegründete Frankfurter Zukunftsrat hat die bisherigen Erkenntnisse in sieben Thesen zusammengefaßt (www.frankfurter-zukunftsrat.de). Das menschliche Verhalten, so zeigten Untersuchungen, werde von Besonderheiten des menschlichen Gehirns gesteuert. Im Zentrum des Gehirns ist das Belohnungssystem geortet worden. Es dominiere die ökonomischen Entscheidungen der Handelnden. Emotionale Schaltkreise tief im Innern des Gehirns lassen nach allem gieren, was einträglich sein könnte.

Der Mensch reagiere auf kurzfristige Gewinne oder die Aussicht auf Geld wie auf Kokain. Elektrische Stimulationen der entsprechenden Hirnareale zeigten im Tierexperiment, daß der Reiz des Belohnungssystems im Zeitablauf nicht abnimmt. Er kann süchtig machen und zur Gier führen. Dazu bedarf es aber bestimmter genetischer Voraussetzungen. Der Zukunftsrat schließt daraus, daß für die Bereinigung der Finanzkrise die Rolle des Belohnungssystems an hervorragender Stelle berücksichtigt werden sollte. Emotionen sind Grund für Handlungen und Entscheidungen geworden. Die betriebliche Personalpolitik sollte deshalb dazu beitragen, Leitungsgremien nicht mehr mit Personal zu besetzen, das sich durch genbedingte „Finanzgier“ auszeichne.

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