© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/09 03. Juli 2009

WIRTSCHAFT
Kein Vorbild
Menno Aden

Im größten Betrugsfall der Wall-Street-Geschichte hat der Finanzjongleur Bernard Madoff die Höchststrafe bekommen. Die Richter verurteilten den 71jährigen vorige Woche zu 150 Jahren Gefängnis. Nach deutschem Recht hätte der Ex-Chef der Technologiebörse Nasdaq höchstens zehn Jahre (Betrug im schweren Fall; § 263 II StGB) erhalten, nach knapp sieben Jahren wäre „Bernie“ wohl freigekommen. Deutschland ist auf solche Fälle nicht eingerichtet. Dennoch bleiben auch in den USA Fragen offen: Der Fall wurde nicht vollständig aufgeklärt. Mitwisser, Bestechung oder Vetternwirtschaft waren Voraussetzungen dafür. Wer hat Madoff geholfen? Verdachtsmomente waren seit Jahren bekannt. Sie wurden vertuscht, angeblich überhört. Warum? Von wem? Was wußte die Bush-Regierung? Hat wirklich nur die Finanzkrise das Schneeballsystem auffliegen lassen – oder war es der Amtsantritt Barack Obamas?

Soll man wirklich glauben, daß die zig Milliarden Dollar „verschwunden“ sind? Hatte Madoff vielleicht Verbindungen, über welche selbst die Obama-Regierung nicht sprechen kann? Die verschiedensten Verschwörungstheorien dürften bald ins Kraut schießen. Der Fall Madoff ist kein Unfall des amerikanischen Systems, sondern im Gegenteil eine typische Folge. Ein Staat, der in der Geschichte mehrfach und zuletzt anläßlich des Irak-Krieges zynisch das eigene Volk und die Welt belogen hat, ein Staat, für den das Völkerrecht so lange gilt, wie es ihm selber nützt, ein Staat, in welchem fast nichts ohne Lobbyismus (sprich: Bestechung) läuft, ein Staat, wo mehrfach solche Fälle (zuletzt die Enron-Pleite 2001) vorkommen, der kann kein Vorbild für Deutschland und die Welt sein – auch wenn viele Deutsche sich manchmal amerikanische Strafmaße für „unsere Madoffs“ wünschen würden.

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