© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/09 03. Juli 2009

Kampfansage
Medien: Die designierte neue „taz“-Chefin will das linksalternative Blatt weiter nach links rücken
Richard Stoltz

Der erste Eindruck zählt. Nur selten läßt sich ein verunglückter erster Auftritt oder ein mißverständliches Wort später wieder korrigieren. Etwa das hier: „Die taz ist eine verschnarchte Zeitung und nimmt nur noch verschwommene Standpunkte ein. Sie ist unentschieden, brav, feige und hat ihre ursprünglichen Werte preisgegeben. Sie hat sich mit den Verhältnissen arrangiert.“

Nein, so redet die designierte neue Chefredakteurin der linksalternativen tageszeitung (taz), Ines Pohl, die ihren Posten am 20. Juli antreten wird, bei ihrer ersten öffentlichen Verlautbarung natürlich nicht daher. Das wäre ja auch äußerst unklug. Bei der 42jährigen klingt das viel robuster: „Die taz muß aufpassen, nichts zu verschlafen, und muß deutliche Positionen einnehmen. Sie muß dezidierter, frecher, mutiger sein und sich auf ihre Kerntugenden besinnen. Sie muß wieder die Machtfrage stellen.“ So sprach sie gegenüber dem Spiegel Anfang dieser Woche. Ob diese Wortwahl der selbstbewußten Redaktion im Rudi-Dutschke-Haus der taz besser gefallen hat? Vermutlich nicht, schließlich ist man dort zwar irgendwie linksfühlig, aber keinesfalls blöd.

Da hilft es wohl auch nicht, daß Ines Pohl bekennt, sie verstehe sich als „linke Feministin“ und sei nun endlich „bei meiner großen Liebe angekommen“. Zumal sie im selben Atemzug hinterherschiebt, sie wolle die taz wieder „weiter links positionieren“. Mit einer solchen Kampfansage bei einer Zeitung anzutreten, die sich seit ihren Gründungstagen vor dreißig Jahren als Sprachrohr eines linksalternativen Milieus versteht, zeugt – um das mindeste zu sagen – von Chuzpe. Altkader ebenso wie Junglinke in der taz werden sich ihren Teil dabei denken und die neue Chefin sicher schon jetzt ins Herz geschlossen haben.

Und gemeinsam mit ihren Lesern werden sie sich fragen, wo überhaupt der Standort „weiter links“ liegt. Mehr in Nähe der Konkurrenz von Junge Welt und Neues Deutschland? Oder in der Nähe von „autonomen“ Steinewerfern und Autobrandstiftern?

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