© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/09 10. Juli 2009

Sieg für den deutschen Naturschutz
Unesco: Das Wattenmeer vor der deutschen und niederländischen Küste wurde zum Weltnaturerbe erklärt
Hans-Joachim von Leesen

Vor zwei Wochen hat die UN-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) dem Dresdner Elbtal den erst 2004 verliehenen Weltkulturerbestatus aberkannt. Der Grund dafür war der umstrittene Bau der Waldschlößchenbrücke (JF 28/09).

Doch während Sachsen sich damit zum Sultanat Oman gesellt, dessen Antilopen-Schutzgebiet (Arabian Oryx Sanctuary) 2007 von der Unesco-Liste gestrichen wurde, kann Norddeutschland einen Sieg vermelden: Das Wattenmeer vor den Küsten Schleswig-Holsteins, Niedersachsens und der Niederlande (JF 16/09) wurde als schutzwürdige Landschaftsregion zum Unesco-Weltnaturerbe erklärt. Damit verfügt Deutschland neben der Grube Messel bei Darmstadt als Ort einmaliger Fossilienfunde nun über zwei der insgesamt 176 Stätten des Weltnaturerbes.

Dazu zählen unter anderem das Große Barriereriff vor Australien (Great Reef), die Galápagos-Inseln (Ost-Pazifik), der Grand Canyon (Arizona) oder der ostafrikanische Serengeti-Nationalpark. Die Auszeichnung ist in erster Linie ein Erfolg der regionalen Naturschutzverbände wie der Schutzstation Wattenmeer und des WWF Deutschland, die durch ihre kontinuierliche Schutzarbeit wie durch ihr Werben um Einsicht bei der ortsansässigen Bevölkerung und bei den politischen Institutionen dafür gesorgt hatten, daß das Wattenmeer zunächst als Nationalpark deklariert wurde. Erst gab es heftigen Widerstand, weil etwa Vertreter der Landwirtschaft befürchteten, der Schutz der Natur könne ihre Produktion beeinträchtigen. Sie wurden schließlich überzeugt, daß die Unterschutzstellung der Gebiete auch ihnen mehr nutzt als schadet, ist doch der Wert einer intakten Natur in allen Kreisen der Öffentlichkeit erkannt und akzeptiert worden.

Keine CO2-Lagerung unter Teilen des Wattenmeers

Das Weltnaturerbe Wattenmeer umfaßt 9.684 Quadratkilometer. Nur ein Bereich von 27 Quadratkilometern in der Meldorfer Bucht wurde ausgeklammert, weil dort Öl gefördert wird. Der Weltnaturerbe-Status dürfte nun die angestrebte intensivere wirtschaftliche Nutzung des Wattenmeers verhindern oder zumindest deutlich erschweren. Das könnte auch die sich immer weiter ausbreitenden Windkraftparks (JF 9/09) betreffen. In jüngster Zeit erschraken die Bewohner des Kreises Nordfriesland, als Pläne bekanntwurden, unter der Erdoberfläche und vermutlich auch unter Teilen des Wattenmeers Kohlendioxid (CO2) einzulagern, das in Kohlekraftwerken anfällt. Die mittel- oder gar langfristigen Folgen einer unterirdischen CO2-Lagerung sind bislang unbekannt. Bei den Nordfriesen stießen die Pläne, über die die Öffentlichkeit vorher nicht ausreichend informiert worden war, auf massiven Widerstand: Das veranlaßte den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen, seine bisherige Zustimmung zur gesetzlichen Grundlage zur Einlagerung zurückzuziehen – zumal auch sein CDU-Wahlkreis betroffen war. Die geplante CO2-Abscheidung und -Lagerung (Carbon Capture and Storage/CCS) und das entsprechende CCS-Bundesgesetz sind damit vorerst vom Tisch.

Zusätzliche Einschränkungen der Nutzung des Wattenmeers, die über den Naturpark-Status hinausgehen, sind durch die Einstufung als Weltnaturerbe aber nicht zu erwarten. Andererseits rechnet man in der Region mit einem deutlichen Anwachsen des Tourismus – immerhin haben mehr als siebzig Prozent aller deutschen Touristen erklärt, die intakte Natur sei für ihren Urlaubsgenuß wichtig.

In letzter Zeit hat die Zahl der Besucher an der schleswig-holsteinischen Westküste zugenommen, wie auch der Besuch des Multimar Wattforums am Nationalpark-Zentrum in Tönning ausweist. Es konnte innerhalb der letzten zehn Jahre zwei Millionen Touristen zählen, die sich in die Probleme des Watts und in das Leben der mehr als 280 Arten von Fischen, Krebsen, Muscheln und Schnecken einweihen ließen.

Pfleglich mit dem Naturwunder umgehen

Lebhaftes Interesse finden die Informationen über die Schweinswale vor Sylt, die besonderen Schutzes bedürfen. Man erfährt vieles über die Millionen von Vögeln, für die das bei Flut unter Wasser stehende und bei Ebbe trocken fallende Gebiet die zentrale Drehscheibe für den Vogelflug von der Arktis nach Südafrika, von Kanada bis Sibirien bedeutet. Bis zu zwölf Millionen Zugvögel nutzen die dortigen Rastplätze, um bei Ebbe Nahrung zu suchen. Der Titel „Weltnaturerbe“ gilt allerdings nur so lange, wie die Menschen pfleglich mit dem Naturwunder umgehen – das hat der Fall Dresdner Elbtal bewiesen.

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