© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/09 10. Juli 2009

WIRTSCHAFT
Deutscher Krisensozialismus
Wilhelm Hankel

Nicht nur pensionierte Altachtundsechziger reiben sich verwundert die Augen. „Stamokap“ (Staatsmonopolistischer Kapitalismus), ihr einstiger Schlachtruf, mit dem sie die Soziale Marktwirtschaft als Reparaturbetrieb des Kapitalismus denunzierten, ist vier Jahrzehnte später zur Staatsreligion des Westens geworden. In Washington, London, Paris, Brüssel und Berlin ist man sich weitgehend einig: Nur über Staatshilfen und Staatsbeteiligungen an maroden Banken und Großkonzernen sei die „Systemkrise“ (Angela Merkel) noch zu verhindern. Das westliche Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das weltweit für Freiheit, Privateigentum und Trennung von Staat und Wirtschaft steht, übernimmt angesichts der größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit 1929 die Rezepte des gescheiterten Systemgegners, des nicht nur in der DDR sanft entschlafenen „Real-Sozialismus“.

Wer mit Totschlagargumenten operiert (die Drohung mit der Systemkrise ist ein solches), will nur eines: seine Kritiker mundtot machen. Das ist auch nötig. Denn eigentlich ist es umgekehrt: Wer die Marktwirtschaft durch Sozialismus aushebelt, zerstört sie, führt die Systemkrise, die er verhindern will, überhaupt erst herbei. Was sollen „sozialistische“ Bank- oder Konzernmanager denn anders machen als ihre kapitalistischen Vorgänger, wenn es gilt, Verluste abzuarbeiten oder zu vermeiden? Die Banken werden fortfahren, (zu) hohe Zinsen zu verlangen, und die auf Staatskosten „sanierten“ Unternehmen werden trotzdem weiterhin Leute entlassen. Das Krisenmanagement wird zumindest eines erreichen, aber man sagt es nicht laut: Das Großkapital verliert seine gigantischen Schulden – und die kleinen Sparer und Steuerzahler bezahlen die Zeche. Und die Sozialisten in der Bundesregierung machen besonders eifrig mit.

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