© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/09 17. Juli 2009

Der Mord von Dresden
Eine schamlose Kampagne
Dieter Stein

Am 1. Juli ermordete ein Rußlanddeutscher im Dresdner Landgericht die Ägypterin Marwa Sherbini in einer Gerichtsverhandlung mit 18 Messerstichen. Die junge Frau hatte den Mann wegen Beleidigung angezeigt, ihr späterer Mörder soll sie als „Islamistin“, „Terroristin“ und „Schlampe“ beschimpft haben. Der Mörder ist in Haft, er wird wegen seiner Tat vermutlich schwer bestraft werden.

Seit Tagen sorgt diese kriminelle Tat für eine Welle der Empörung in muslimischen Staaten (siehe auch Bericht auf Seite 4). Die Tat eines Einzelnen wird zu einem politischen Angriff der deutschen Gesellschaft auf Moslems stilisiert. Bei der Beerdigung der Ägypterin wurden „Nieder-mit-Deutschland“-Rufe laut, meldeten Agenturen. Irans Staatschef Ahmadinedschad fordert gar die Verurteilung Deutschlands durch den UN-Sicherheitsrat. Richter, Schöffen und die deutsche Regierung seien Verbrecher, urteilt der Populist aus Teheran, der weiß, wie er seine Suppe auf diesem Kriminalfall kochen kann. Im Iran skandieren Demonstranten „Tod für Deutschland und für das rassistische Europa“, sie zeichnen ein Hakenkreuz auf das Eingangstor der Botschaft in Teheran, in Schmierereien auf dem Gehweg wird Bundeskanzlerin Merkel als „Nazi“ geschmäht.

Die deutsche Regierung reagiert hilflos auf die Attacken aus der islamischen Welt, die an die Empörung über die dänischen Mohammed-Karikaturen vor einigen Jahren erinnern. Persönlich will der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering der Familie des Opfers sein Mitgefühl aussprechen. Kanzlerin Merkel drückte Ägyptens Präsident Husni Mubarak am Rande des G8-Gipfels ihre Anteilnahme aus.

Wo bleibt der entschiedene Hinweis darauf, daß es sich um die Ausnahmetat eines Kriminellen handelt? Wo bleibt die scharfe Zurechtweisung, daß sich der deutsche Rechtsstaat nicht belehren lassen muß hinsichtlich seiner Konsequenz, mit der er – wie in diesem Fall geschehen – gegen fremdenfeindliche Beleidigungen vorgeht? Eine Konsequenz, die man in islamischen Ländern bei der Bekämpfung von Christen-Mördern meist vermissen muß. Das Dresdner Verfahren ist hingegen bestes Beispiel für die strenge Neutralität der deutschen Justiz.

Doch offenbar geht es einzelnen Islam-Lobbyisten im In- und Ausland um eine unverschämte Instrumentalisierung des Opfers als Märtyrerin ihrer Religion um jeden Preis. Und die Deutschen lassen sich zu bereitwillig in eine kollektive Täterrolle drängen – als sei die Tat symptomatisch für die Gesellschaft. Für diese Kampagne gibt es hierzulande schon willige Helfer. So merkt der linke Kölner Stadtanzeiger eilfertig an, „mitten in Deutschland“ sei eine Frau getötet worden – „und die Republik hüllt sich tagelang in kollektives Schweigen“ und zwar „so als hätte es Solingen, Mölln oder Rostock-Lichtenhagen nie gegeben?“. Wer schweigt scheint zuzustimmen, oder was soll damit gesagt werden?

Offenbar findet auch die deutsche Innenpolitik vor der Bundestagswahl einen geeigneten Weg, um diese kriminelle Tat schamlos zu instrumentalisieren ... 

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