© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/09 24. Juli / 31. Juli 2009

21 Parteien und fünf Todesfälle
Bundestagswahl: Die Sitzung des Wahlausschusses zeigt, daß es sich für kleine Vereinigungen lohnt, um den Wahlantritt zu kämpfen
Marcus Schmidt

Roderich Egeler ist ein gutmütiger Mann. Gelassen nimmt er es hin, daß ein Parteivertreter zu berichten weiß, die sowieso schon übersichtliche Mitgliederliste seiner Formation müsse noch um fünf Todesfälle bereinigt werden. Nein, der 59 Jahre alte Bundeswahlleiter will den Vertretern der Kleinparteien, die heute nach Berlin gekommen sind, um zu begründen, warum sie an der Bundestagswahl teilnehmen wollen, das Leben nicht noch schwerer machen, als es eh schon ist. Heute bekommt jeder seine Chance.

Vor dem Bundeswahlausschuß müssen laut Bundeswahlgesetz alle Parteien erscheinen, die nicht im Bundestag oder einem Landtag mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten sind. Neben CDU, CSU, SPD, FDP, Grünen und Linkspartei sind dies die DVU, die mit sechs Abgeordneten im Landtag von Brandenburg vertreten ist, und die NPD, die in den Länderparlamenten von Sachsen (acht Abgeordnete) und Mecklenburg-Vorpommern (sechs Abgeordnete) sitzt. Alle anderen 52 Parteien, die am 27. September zur Wahl antreten wollen, müssen Herrn Egeler und seine acht Beisitzer unter anderem davon überzeugen, daß die Organisation „gefestigt“ ist und daß die Partei versucht, an der politischen Willensbildung teilzunehmen. Vorausgesetzt, die Anmeldung zur Wahl ist beim Bundeswahlleiter überhaupt form- und fristgerecht „angezeigt“ worden.

Die Zentrumspartei, die „älteste Partei Deutschlands, gegründet 1870“, war hier auf Nummer Sicher gegangen und hatte zwei Anmeldungen eingereicht. Der Haken daran: Unterschrieben waren die Dokumente gleich von zwei unterschiedlichen Vorständen, die sich zudem durch zwei unterschiedliche Schiedsgerichte gegenseitig die Rechtmäßigkeit absprachen. Kein Wunder also, daß nicht nur Wahlleiter Egeler „Erörterungsbedarf“ sah. Doch der nach Berlin entsandte kämpferische Vertreter des Zentrums vermochte den Ausschuß davon zu überzeugen, daß es nur einen einzigen und wahren Vorsitzenden gibt.

Andere hatten da weniger Glück. So die Bürger Partei Deutschland, die den Verdacht des Bundeswahlleiters, hierbei handele es sich um einen „erweiterten Familienverband“ (von den fünf Mitgliedern sind drei eng miteinander verwandt) nicht entkräften konnte. Egeler verwies bei dieser Gelegenheit auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, daß eine Zahl von mindestens 400 Mitgliedern Maßstab für eine ernstzunehmende Partei ist. Aber auch wer weit mehr Mitglieder hat, kann seiner Sache nicht sicher sein. Das mußte auch die „Demokratische Bürgerbewegung“ erfahren. Obwohl erst Anfang des Jahres gegründet, verfügt die Gruppierung nach eigenen Angaben bereits über 1.500 Mitglieder. Das Geheimnis des Erfolges: Wen das Programm der Bürgerbewegung überzeugt, kann gleich auf der Internetseite beitreten – ein sehr moderner Ansatz, an dessen Rechtmäßigkeit die Ausschußmitglieder dann aber doch ihre Zweifel hatten. Keine Gnade fand auch die Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands (APPD), die sich vorwerfen lassen mußte, sie habe bei ihren bisherigen Wahlantritten Ergebnisse im „Bagatellbereich“ (0,0 Prozent) gelandet. Als dann der mit einem ärmellosen Muskelhemd äußerst leger gekleidete Vertreter davon berichtete, daß sich zwei Landesverbände derzeit „im Untergrund“ befänden, war die Sache für die Spaßpartei (Motto: „Euch die Arbeit, uns das Vergnügen“) gelaufen.

Manche Parteien, die sich ihrer Sache sicher sein konnten, wie etwa die Republikaner hatten keine Vertreter nach Berlin geschickt. Andere wiederum schienen von der Aussichtslosigkeit des Unterfangens überzeugt gewesen zu sein und sparten sich den Weg nach Berlin. Dabei zeigte die Sitzung des Wahlausschusses, daß es sich für die kleinen Parteien durchaus lohnt zu kämpfen. Mehr als einmal ließ sich der Ausschuß von den Vorträgen der Parteivertreter, die in den strahlendsten Farben über die Öffentlichkeitsarbeit ihrer Parteien berichteten, doch noch umstimmen.  Das hatte die ehemalige CSU-Politikerin Gabriele Pauli und ihre erst im Juni gegründete „Freie Union“ nicht nötig. Elegant nutzte die medienerfahrene Ex-Landrätin den Auftritt, um sich für die Fernsehkameras in Szene zu setzen.

Am Ende bleiben von den 52 politischen Parteien, die ihre Teilnahme an der Wahl angezeigt hatten, 21 übrig (siehe Kasten). Sie können nun mit den acht übrigen Parteien um die Mandate kämpfen – vorausgesetzt, sie haben bis zu diesem Donnerstag die nötigen Unterstützungsunterschriften eingereicht.

 

1.familie Familien-Partei Deutschlands

2.die violetten Die Violetten; für spirituelle Politik

3.cm CHRISTLICHE MITTE Für ein Deutschland nach Gottes Geboten

4.pbc Partei Bibeltreuer Christen

5.BP Bayernpartei

6.PIRATEN Piratenpartei Deutschland

7.ödp Ökologisch-Demokratische Partei

8.PSG Partei für Soziale Gleichheit, Sektion der Vierten Internationale

9.Volksabstimmung   Ab jetzt … Bündnis für Deutschland, für Demokratie durch Volksabstimmung

10.DKP Deutsche Kommunistische Partei

11.RENTNER Rentner-Partei-Deutschland

12.Die Tierschutzpartei Mensch Umwelt Tierschutz

13.RRP Rentnerinnen und Rentner Partei

14.REP DIE REPUBLIKANER

15.ADM Allianz der Mitte

16.BüSo Bürgerrechtsbewegung Solidarität

17FWD Freie Wähler Deutschland

18.ZENTRUM Deutsche Zentrumspartei – Älteste Partei Deutschlands, gegründet 1870

19.DVD Demokratische Volkspartei Deutschland

20.MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands

21.(keine Kurzbezeichnung) Freie Union

Foto: Sitzung des Bundeswahlausschusses in Berlin: „Erweiterter Familienverband“?

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