© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/09 24. Juli / 31. Juli 2009

Großer Knall mit Ansage
Schleswig-Holstein: Nach dem lange erwarteten Ende der Koalition in Kiel schauen CDU und SPD auf eine dürftige Bilanz ihrer Regierung
Hans-Joachim von Leesen

Der von vielen geglaubte Grundsatz, in schwierigen Zeiten sei es für ein Land günstig, von einer Großen Koalition regiert zu werden, weil damit eine breite Basis geschaffen wird, um der Probleme Herr werden, hat sich in Schleswig-Holstein als Legende entlarvt. Das seit vier Jahren regierende Bündnis von Christ- und Sozialdemokraten unter Führung des Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU) muß sich von nahezu allen Medien bescheinigen lassen, bisher kein einziges der übernommenen Probleme auch nur im Ansatz bewältigt zu haben.

Jetzt ist mit diesem Regierungsbündnis geschehen, was Beobachter seit langem vorhergesagt haben (JF 47/08): Es ist mit lautem Getöse auseinandergebrochen. Die bisherigen Koalitionspartner liefern rechtzeitig zur Sommerpause ein eindrucksvolles Schauspiel und bezichtigen sich gegenseitig der Lüge oder bezeichnen sich als „Brandstifter“. Der Streit um die Auflösung des Landtages (die SPD um ihren Fraktionsvorsitzenden Ralf Stegner stimmte am Montag als einzige Partei gegen die Selbstauflösung des Parlamentes) fügte den Auseinandersetzungen ein weiteres Kapitel hinzu. Der daraufhin von Carstensen gewählte Weg, mit einer absichtlich verlorenen Vertrauensfrage doch noch gegen den Willen des ehemaligen Koalitionspartners Neuwahlen zu erzwingen, hinterläßt nicht nur bei Verfassungsexperten ein ungutes Gefühl. Dennoch: Nun wird am 27. September 2009 der schleswig-holsteinische Landtag am selben Tag gewählt wie der Bundestag. Die CDU hofft, davon profitieren zu können.

Vier Jahre quälten sich Christ- und Sozialdemokraten durch die Koalition. Großes hatten sie sich vorgenommen: Es sollte wenigstens damit begonnen werden, den riesigen Schuldenberg, den sie von der vorangegangenen Regierung unter Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) übernommen hatten, zu reduzieren; die Kosten der Landesverwaltung sollten durch spürbaren Personalabbau verringert werden. Zudem sollten die Kreise reformiert und das System der Kitas ausgebaut und vom Land finanziert werden. Nichts davon hat geklappt. Ein Symbol für die geradezu lachhaften Bemühungen, sich von überflüssigem Personal zu befreien und damit Kosten abzubauen, enthüllte der Landesrechnungshofbericht von Ende 2008, dem man entnehmen konnte, in den vier Jahren der Tätigkeit der Großen Koalition hätte sie es gerade einmal geschafft, zwei Posten einzusparen.

Zwar hat man Personal reduziert, etwa bei der Polizei, doch sind diese dann anderen Ministerien zugewachsen. Was dabei herausgekommen ist, wurde vor wenigen Tagen deutlich, als die Führung der Landespolizei verkündete, die Polizei sei nicht mehr in der Lage, die ihr zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. So könne sie nicht mehr für Ordnung in Fußballstadien sorgen, da die wenigen Polizisten auch noch unter einer Unzahl von Überstunden litten. Die Antwort der Regierung war hilfloses Schweigen.

Zu all den übernommenen Problemen kommt das Desaster der HSH Nordbank. Eine falsche Geschäftspolitik hatte die Bank, die zum größten Teil im Besitz der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein ist, in die Gefahr gebracht zu scheitern. Beide Länder mußten drei Milliarden Euro als Kapitalspritze einsetzen, um den totalen Zusammenbruch zu verhindern. Als dann bekannt wurde, daß, obgleich sich die Bank im Juli verpflichtet hatte, ihre Managergehälter auf 500.000 Euro zu begrenzen, der neu gewonnene Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher kurz vor dem vom Landtag gefaßten Beschluß die Zusage erhalten hatte, Bonuszahlungen von 2,9 Millionen Euro zu bekommen, ging eine Welle der Empörung durch das Land. Ministerpräsident Carstensen versuchte sich herauszuwinden: Nur so habe sich die Bank die „Führungskompetenz“ dieses Managers, die er allerdings erst beweisen muß, gesichert. Er behauptete darüber hinaus, die Zusage sei „im Einvernehmen mit den Regierungsfraktionen“ gegeben worden. Sowohl CDU- als auch SPD-Fraktion bestritten das Einvernehmen. Darüber streiten sie sich nun wie die Kesselflicker, und das vor einem Publikum, das nur noch kopfschüttelnd den Regierungsstil beobachten kann.Vier Jahre lang haben sich die Koalitionspartner gestritten. Die CDU hat dabei wesentliche Grundforderungen, die immer zum Glaubensbekenntnis der der Partei gehörten, geopfert, wie das dreigliedrige Schulsystem. Weite Kreise der CDU-Basis verlangen seit langem das Ende der Koalition, doch versprühte Peter Harry Carstensen immer wieder Optimismus: Er werde die Angelegenheiten in den Griff bekommen. Es ist ihm nicht gelungen.

Zwar unterscheiden sich die beiden Matadore Carstensen und Stegner erheblich im Charakter, doch dürfte das kaum der Hauptgrund für das Scheitern sein. Hier liegt ein Systemfehler vor. Es ist keineswegs sicher, daß die Neuwahl eine grundsätzliche Besserung beschert. Nach den jüngsten Meinungsumfragen dürfte die CDU nur noch 36 Prozent der Stimmen bekommen (gegenüber 40,2 Prozent bei der Landtagswahl 2005), die SPD 24 Prozent (38,7 Prozent), die FDP 15 Prozent (6,6 Prozent) und die Grünen 14 Prozent (6,2 Prozent). Die Linkspartei hat mit geschätzten fünf Prozent eine Chance, ebenfalls in den Landtag einzuziehen. 55 Prozent aller Befragten antworteten übrigens auf die Frage, ob CDU oder SPD verantwortlich sei für die Regierungskrise: „Beide“.

Foto: SPD-Chef Ralf Stegner (M.) im Landtag: Gegenstimmen

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