© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/09 24. Juli / 31. Juli 2009

Optimistische Planungen
Verkehrspolitik: Fehmarnbeltquerung hat nun auch von der EU grünes Licht – aber zahlreiche Fragen sind weiter offen
Hans-Joachim von Leesen

Die Wirtschaft hat es geschafft: Mit kräftiger Unterstützung des Königreiches Dänemark sowie mit Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Schleswig-Holstein sind nun alle Weichen gestellt, daß der Bau der längsten Brücke Nordeuropas zwischen der deutschen Insel Fehmarn und der dänischen Insel Lolland beginnen kann (JF 28/07).

Der Bundestag hat ohne Debatte und in dürftiger Besetzung das entsprechende Gesetz durchgewinkt, der Bundesrat hatte ebenfalls keinen Einwand, und nun hat auch die EU-Kommission signalisiert, daß sie keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken gegen die dänische Vorgehensweise hat, die Planungsphase auf dänischem Gebiet durch eine staatliche Behörde zu finanzieren. Dänische Bodenuntersuchungen in der Ostsee laufen schon, gebaut wird ab 2012. Die Inbetriebnahme der Fehmarnbeltquerung ist für Ende 2018 geplant.

19 Kilometer lang soll sie werden und die Fahrzeit zwischen Hamburg und Kopenhagen von jetzt dreieinhalb auf zweieinhalb Stunden verkürzen. Neben einer vierspurigen Autobahn soll die Brücke zwischen Puttgarden und Rødby eine zweispurige Eisenbahnlinie tragen. Die Brücke war von Anfang an eher ein dänisches als ein deutsches Projekt. Dänemark hat denn auch den Bau der eigentlichen Brücke übernommen. Sie soll, so wird heute geschätzt, etwa 4,6 Milliarden Euro kosten. Allerdings tritt nicht der dänische Staat als Bauträger auf. Es wird in Dänemark eine Gesellschaft gegründet, die die Brücke finanziert, plant, baut und dann betreibt. Sie treibt die Kosten, so hofft man, innerhalb von 26 Jahren durch die verlangte Maut wieder rein. Sollte das nicht glücken, springt der dänische Staat mit einer Zusage von 4,8 Milliarden Euro Staatsgarantien ein.

In Deutschland hingegen bleiben die Kosten für die Anbindungen an das deutsche Straßen- und Eisenbahnnetz bis Puttgarden an den Steuerzahlern hängen: Zur Landanbindung gehören der Ausbau der Bundesstraße 207 (E 47) zu einer Verlängerung der Autobahn A 1, die Elektrifizierung der bisher eingleisigen Bahnstrecke, die bis 2024 auch zweigleisig werden soll und zahlreiche andere Anschlußanlagen.

Die deutsche Seite veranschlagt dafür 850 Millionen Euro, wovon das bettelarme Land Schleswig-Holstein, das wegen der mit US-Schrottpapieren verzockten HSH Nordbank am Rande der Zahlungsunfähigkeit steht, 65 Millionen Euro übernehmen will. Darüber hinaus muß die A 20 an Hamburg vorbeigeführt werden, und zwar durch einen Tunnel unter der Elbe zwischen dem schleswig-holsteinischen Glückstadt und dem niedersächsischen Drochtersen. Er soll bis 2018 fertig sein. Dessen Finanzierung ist bisher nicht gesichert. Maut soll auf diesem Abschnitt in Deutschland nicht erhoben werden.

Der Bundesrechnungshof (BRH) hat im Mai dieses Jahres in einem Prüfbericht die Wirtschaftlichkeit der Fehmarnbeltquerung angezweifelt. Er sieht „unkalkulierbare Risiken für den Bund“. Die Kosten für die Hinterlandanbindung an Deutschland hält der Bundesrechnungshof für „nicht transparent“, die Verkehrsprognosen für „zu optimistisch“. Er verweist darauf, daß die Kosten auf deutscher Seite nicht refinanziert werden im Gegensatz zu den Baukosten in Dänemark. Die Infrastrukturmaßnahmen auf deutscher Seite würden 1,7 Milliarden kosten, so der BRH.

Zwar tendieren nun alle Prognosen dahin, daß die Querung in Form einer Brücke gebaut wird, doch ist auch ein Tunnel weiter im Gespräch. Denn Kritiker führen eine Reihe von einleuchtenden Gründen gegen das offene Bauwerk an. Es sei nicht nur wirtschaftlich unsinnig, sondern auch umweltpolitisch gefährlich. Der von Deutschland nach Dänemark fahrende Brückenbenutzer muß zunächst vom Festland nach Fehmarn die 1963 gebaute Fehmarnsundbrücke passieren, die nur zwei Autofahrbahnen und ein Eisenbahngleis aufweist – ein voraussehbares Nadelöhr, das in umgekehrter Richtung noch problematischer ist, wenn der auf zwei Spuren heranrollende Fahrzeugverkehr auf die eine Fahrbahn der alten Brücke stößt.

Welche Auswirkungen die 19 Kilometer lange Brücke auf das Ökosystem der Ostsee haben wird, ist ungeklärt. An der Baustelle befinden sich die Laichgründe des wichtigsten Ostseefisches, des Dorsches. Werden sie durch die Bauarbeiten in Mitleidenschaft gezogen? Wird der Brückenbau den Wasseraustausch zwischen Nord- und Ostsee, der lebenswichtig ist für die Ostsee, behindern? Beeinflußt das Bauwerk entlang der „Vogelfluglinie“ auch selbigen?

Und was in der Öffentlichkeit kaum beachtet wird: Welche Folgen hat es, daß der westliche und nördliche Teil Schleswig-Holsteins sowie ganz Jütland vom Verkehrsfluß abgeschnitten wird? Mit mehr als 60.000 Schiffen pro Jahr ist der Fehmarnbelt zudem eine der meistbefahrenen Wasserstraßen der Welt. Die Schiffe müssen in Zukunft auf drei Feldern von jeweils 700 Metern Breite unter der Brücke durchfahren. Verkehrsfachleute fürchten um die Sicherheit.

Hauptwirtschaftszweig Ostholsteins (wozu Fehmarn gehört) ist der Fremdenverkehr. Man fragt sich, ob die Touristen noch kommen, wenn Fehmarn jahrelang eine große Baustelle ist. Und wie wird sich der verstärkte Eisenbahnverkehr, der dicht an zahlreichen Kliniken und Rehabilitationsstätten vorbeiführt, auf den Tourismus auswirken? Es gibt zahlreiche offene Fragen, angesichts derer man sich wundert, wie leichtfertig Deutschland dem Projekt zugestimmt hat.

Informationsportal zur Fehmarnbeltquerung im Internet unter www.fehmarnlink.com/de

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