© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/09 24. Juli / 31. Juli 2009

Nachbarschaftsstreit – Kolb greift ein: RTL zeigt die unbekannte Welt der Mediatoren
Die neuen Helfer in der Not
Tobias Westphal

Nachbarschaftsstreitereien sind für außenstehende Dritte meist höchst amüsant. Vor allem dann, wenn emotional und verbissen um das eigene Recht, respektive um das eigene Grundstück inklusive Haus und Hof gekämpft wird. Die Betroffenen in einem solchen Streit sehen das naturgemäß anders; denn immerhin liegt ihnen der eigene häusliche Frieden am Herzen und mit einem bösen Nachbarn nebenan kann man nicht in Ruhe leben. Gut in Erinnerung ist dem deutschen Fernsehvolk der berüchtigte Streit um den Maschendrahtzaun – mit dem gleichlautenden Lied von Stefan Raab.

Der Fernsehsender RTL befriedigt die Neugier aller gleichgearteten Streithähne mit einer neuen fünfteiligen „Dokusoap“, die ab Mittwoch, den 29. Juli jeweils ab 20.15 Uhr ausgestrahlt wird. Fernsehsendungen über Nachbarschaftsstreitigkeiten oder Gerichtsshows gab es bisher schon zahlreiche – das besondere an der kommenden Fernsehsendung mit dem Titel „Nachbarschaftsstreit – Kolb greift ein“ ist aber, daß bei diesen Auseinandersetzungen diesmal der Mediator Ernst Andreas Kolb versuchen wird, den Streit der erbitterten Kontrahenten für immer beizulegen.

Trotz einiger TV-Dokumentationen über Mediation und der Vorstellung von Anita von Hertels Mediations-Buch „Grrr! Warum wir miteinander streiten und wie wir davon profitieren können“ bei Raabs TV-Total ist der Begriff des Mediators vielfach noch unbekannt – obwohl der Beruf des Mediators sich steigender Beliebtheit erfreut. Vor allem in der Rechtsanwaltschaft erobert manch ein Kollege neue Tätigkeitsfelder. Doch auch andere Berufe haben dieses Tätigkeitsfeld für sich entdeckt:Psychologen, Soziologen, Politologen, Pädagogen und Theologen.

Nachbarschaftsstreitigkeiten sind vor Gericht für alle Beteiligten meist undankbar. Ein Richter muß über Nichtigkeiten entscheiden, die armen Anwälte werden durch diese Fälle nicht reicher und werden zu oft mit belanglosen Geschichten belästigt – da wird dem Rechtsanwalt schon mal erzählt, daß der böse Nachbar gerade wieder verbotenerweise auf dem Balkon grillt. Dann folgt die Frage, ob es jetzt nicht an der Zeit sei, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu klagen, denn wenn immer auf dem Nachbarbalkon gegrillt werde, sei dies auch eine Art Folter.

Unter Mediation versteht man die Erarbeitung einer außergerichtlichen Konfliktlösung unter den Betroffenen. Das unterscheidet den 40jährigen Rechtsanwalt und Mediator Ernst Andreas Kolb dann auch von der RTL-„Super-Nanny“ Katharina Saalfrank; denn diese zeigt den betroffenen Familien die Lösung auf.

Zwar vermittelt die Super-Nanny auch zwischen Streithähnen, zur Mediation wird diese Vermittlung jedoch erst dann, wenn der Vermittler neutral ist und den Beteiligten die Lösung nicht vorgibt. Die Lösung muß bei der Mediation von den beteiligten Konfliktparteien – Medianden genannt – selbst erarbeitet werden.

Der Mediator Kolb ist somit nur Helfer bei der Kommunikation und beim Einigungsprozeß. Ein Einigungsprozeß kann anfangs wohl nur erhofft werden; denn die Zuschauer erleben bei „Kolb greift ein“ zerstörte Familien, zerschlagene Autoscheinwerfer, durchtrennte Leitungen, Beobachtungen durch Überwachungskameras bis hin zu manipulierten Bremsen. Trotz oder besser gerade aufgrund  dieser Vorkommnisse wird Mediator Kolb mit den Betroffenen zusammenarbeiten und versuchen, zwischen den Parteien zu vermitteln.

Für nachbarschaftliche Prinzipienreiter ist die Mediation übrigens nicht geeignet; denn jede Mediation ist freiwillig und verlangt den Willen zur Zusammenarbeit. Wer also grundsätzlich überprüfen lassen will, ob er im Recht ist oder seinen Nachbarn durch ein Urteil in die Knie zwingen oder in den Wahnsinn treiben will, der ist mit einem Urteil besser bedient. So attestierte auch Mediator Kolb: „Auch auf die Gefahr hin, daß ich mich mit dieser Einschätzung unbeliebt mache: Streitsucht und Rechthaberei sind typisch deutsch.“

Die fünf Sendungen werden zeigen, ob es RTL gelingt, die Mediation bekannter zu machen und ein Verfahren aufzuzeigen, in dem es um die transparente Suche nach einer Problemlösung für alle Beteiligten geht – oder ob die Fernsehgemeinde wieder mal auf völlig irre Nachbarn nahe eines Maschendrahtzauns hinabblickt.

 

Tobias Westphal arbeitet als Rechtsanwalt in Pohlheim

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