© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/09 07. August 2009

Abschied vom Wachstumszwang
Umweltpolitik: Das „schwarz-grüne Manifest“ bietet Alternativen zur aktuellen Wahlkampfprogrammatik der Union
Martina Zippe

Wir haben die Kraft“ ist der Titel des Wahlprogramms von CDU und CSU. Das Mittel zur Bewältigung der Finanzkrise lautet darin „Fortschreibung der Wachstumspolitik“. Aber ist dies nicht ein Teil des Problems? „Abschied vom Wachstum“ fordert daher Alain de Benoist in seinem neuen Buch (jf 28/09). Daß die Wachstums-Ideologie dabei sei, weltweit zusammenzubrechen, schrieb schon 1978 der CDU-Dissident Herbert Gruhl im „Grünen Manifest“, dem Parteiprogramm der Grünen Aktion Zukunft (GAZ), der ersten bundesdeutschen Umweltpartei. Der vorübergehende Versuch, „Wachstum zu erzwingen“, würde in „noch größere Katastrophen münden“.

Das ist angesichts der Finanzkrise realistischer denn je, und der Vorstand der Herbert-Gruhl-Gesellschaft hat daher sein „Schwarz-grünes Manifest“ vorgelegt. Hiernach müßten die Wachstumszwänge selbst abgeschwächt werden. Aktionäre würden es akzeptieren, daß ein Teil des Gewinns einer AG reinvestiert werde, weil das für die Zukunft noch mehr Gewinne verspreche. Das Ergebnis sei eine extreme Gewinn- und Wachstumsorientierung der AG. Abhilfe könnte eine Reform des Gesellschaftsrechts schaffen, mit der dann „die AG durch eine andere Unternehmensform ersetzt wird, die auf dem Stiftungsrecht oder der Genossenschaftsidee beruht“. Damit würde auch die „Tendenz zur Blasenbildung reduziert und so neben der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit die ökonomische gefördert“. Eine Volkspartei, die sich hierauf einließe, bräuchte in der Tat „Kraft“. Ein nicht ganz so großer Kraftakt wäre die empfohlene Vollgeldreform, mit der die Zentralbank „das ausschließliche Recht zur Geldschöpfung“ erhalte und die Banken verpflichtet werden, das Buchgeld „zu 100 Prozent durch Zentralbankenguthaben bzw. Banknoten zu decken. Dies würde die Banken zu einer vorsichtigeren Kreditgewährung veranlassen“.

Eine steuerliche Vergünstigung der Arbeitskraft bei gleichzeitiger steuerlicher Verteuerung des Energieverbrauchs reklamiert das besagte Manifest. Das unterscheidet sich vom Unionsprogramm, das die fossilen Energieträger schon reichlich besteuert sieht. Unerwähnt bleibt hierbei, daß Kerosin und Uran noch immer steuerfrei sind und im Sinne des Manifestes als Verhandlungsmasse hinzukommen könnten.

Das schwarz-grüne Manifest hat also weit mehr als die Union ökologische Grenzen im Blick, aber auch die „Grenzen von Mensch und Familie“ seien zu beachten. Ähnlich wie im ersten Manifest 1978 (dessen Familien-Teil auf Christa Meves zurückgeht) heißt es nun: „Da die Bindung zwischen Mutter und Kleinkind der Bindungsforschung gemäß überaus wichtig ist, ist der verfrühten Trennung von Mutter und Kind eine Absage zu erteilen. Die spätere Entwicklung soll möglichst ungestört vor sich gehen können, das heißt ohne Wechsel der Bezugsperson.“ Daraus folge, „daß die kollektive Erziehung von Kindern unter fünf Jahren kein erstrebenswertes politisches Ziel sein kann. Sinnvoller wäre es, die Pflege eines Kindes durch die Mutter finanziell zu ermöglichen, also ihr … die Wahlfreiheit zu lassen, welchen Betreuungsweg die Mutter mit ihrem Kind – nach entsprechender Aufklärung auch der Risiken einer zu frühen kollektiven Erziehung – gehen möchte.“

Auch bei der Union ist von „Wahlfreiheit“ die Rede, doch die versteht darunter, daß kollektive Früherziehung für Kinder vom Staat vollfinanziert werden soll. Eine Vollzeit-Hausfrau und Mutter hat nichts davon, sondern spart dem Staat nur Geld ein. Die C-Parteien halten zwar Lobpreisungen für Mütter und ihre Leistungen parat. Das „schwarz-grüne Manifest“ fordert hingegen, die „Arbeit der Hausfrau in gebührender Weise dem Sozialprodukt zuzurechnen und damit sozioökonomisch wertzuschätzen“. Dem „Gender-Mainstream“ setzt die Union nichts entgegen. Die Unterschiedlichkeit der Geschlechter sei „kein Unglück, gegen das politisch angekämpft werden müßte, sondern als eine Ergänzung von Fähigkeiten zu betrachten“, heißt es hingegen im Manifest.

Während die Union bei „grüner Gentechnik“ zwischen den Sorgen der Bürger und denen der Biokonzerne laviert, fordert das Manifest die ökologischen Grenzen ihres Einsatzes zu achten und Verzicht zu üben. Auch die „Grenzen des Bevölkerungswachstums“ gelte es zu beachten: „Es besteht die moralische Pflicht, den armen Völkern zu helfen, besonders bei der Stabilisierung ihrer Bevölkerung, die bis heute noch nicht gelungen ist und noch immer sträflich vernachlässigt wird. Hier ist mehr Engagement Deutschlands und der ganzen Staatengemeinschaft notwendig, vergleichbar der Klimaschutzpolitik.“ Hinzu komme, daß damit auch ein „abnehmender Bevölkerungsdruck auf die EU-Staaten verbunden“ sei. Die Union indes verspricht lediglich „Solidarität mit Menschen in Not“ und will die Mittel für Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens steigern, ohne entsprechende Schwerpunkte damit zu verbinden.

Das Selbstbestimmungsrecht der Völker wurde im Manifest von 1978 mit der Einheit Deutschlands verbunden. Aktuell läuft es auf die Forderung hinaus, „daß alle Kompetenzübertragungen auf internationale Organisationen wie auf die Europäische Union einer Volksabstimmung zu unterwerfen sind“. So weit wollte das Bundesverfassungsgericht in seinem Lissabon-Urteil nicht gehen – aber es hat der Kompetenzübertragung an Brüssel Grenzen gesetzt.

Das schwarz-grüne Manifest der Herbert-Gruhl-Gesellschaft im Internet unter: www.herbert-gruhl.de/html/schwarzgrunes_manifest.html

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