© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/09 14. August 2009

Frank Leder. Der Modemacher überrascht mit gewagt national inspirierten Kreationen
Deutscher Schick
Martin Lichtmesz

Modeschöpfer haben den Ruf, schrill, egozentrisch und glamourversessen zu sein. Hin und wieder gibt es jedoch Rebellen, die sich erfolgreich den polierten Laufsteg-Oberflächen des Mode-Mainstreams zu entziehen wissen. Die Antithese zu Lagerfeld, Joop und Mooshammer heißt Frank Leder (www.frank-leder.com). Genauso lapidar, aber „kerndeutsch“ wie der Name sind auch die Herren-Kollektionen des 1974 in Nürnberg geborenen Modeschöpfers. Kerndeutsch ist hier wörtlich zu nehmen, denn Leder zieht seine Inspirationen hauptsächlich aus der deutschen Geschichte. So präsentiert er sich auf seiner Netzseite programmatisch mit Frakturschrift und den Kaiserreichsfarben Schwarz-Weiß-Rot. Eine schwarzweiße Vignette mit allerlei Werkzeug betont seine Vorliebe für das Handwerkliche und Rustikale, das sich auch in seinen Kreationen niederschlägt. Leder bevorzugt traditionelle Stoffe wie Deutschleder, Schladminger Loden oder Hirschhorn; die Knöpfe sind häufig original antike Stücke.

Die größtenteils von Gregor Hohenberg fotografierten Inszenierungen der Leder’schen Kollektionen schwanken zwischen nostalgischer Faszination und postmoderner Ironie, Romantik und Abgrund. Dabei spielen Leder und Hohenberg bewußt auf die berühmten Bilder an, die August Sander in der Weimarer Republik von Menschen aller Schichten und Professionen aufnahm und die schon den japanischen Modeschöpfer Yohji Yamamoto inspiriert haben. Da finden sich unter anderem Fleischergesellen, Feuerwehrmänner, Minenarbeiter, Kolonialoffiziere, Wandervögel und korporierte Studenten, angesiedelt irgendwo zwischen der Jahrhundertwende und den dreißiger Jahren. Ein Foto zeigt den Künstler selbst in einem Turnleibchen, dessen ornamental arrangierte Initialen „F.L.“ das „Frisch, fromm, fröhlich, frei“ des Turnvaters Jahn persiflieren. Zu den Modellen zählen Träger von Bierbäuchen, Halbglatzen, Schnurrbärten und straffen Seitenscheiteln, ebenso der Schauspieler Otto Sander und der Maler Martin Eder. Leder, dessen Vater aus Böhmen stammt, bezeichnet sich selbst gar als „Heimatkunde-Schriftsteller der Mode“.

Kein Wunder, daß er damit in Deutschland eher auf Skepsis stößt, im Ausland aber zum Teil enthusiastisch rezipiert wird. Ganzen vierzig Läden in Leders Hauptabsatzmarkt Japan steht eine einzige Berliner Boutique gegenüber, die seine Kreationen anbietet. Und während die englischsprachige Wikipedia einen langen Artikel über Leder aufzuweisen hat, wurde das deutsche Pendant wegen „mangelnder Relevanz“ gelöscht. Leder, dessen Karriere als Modestudent in England begann und der heute mit seiner japanischen Ehefrau in Berlin-Charlottenburg lebt und arbeitet, kann darüber nur den Kopf schütteln. Dem Zeitgeist-Magazin Vice gegenüber erklärte er: „Es ist für mich immer wieder überraschend, daß ich mich nur bei deutschen Journalisten erklären muß. Für Japaner, Engländer oder Amerikaner war mein Heimat-Thema nie verwundernswert.“

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