© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/09 14. August 2009

Stratege des Machterhalts
Frankreich: Präsident Sarkozy bietet der rechten Bewegung von Philippe de Villiers Zusammenarbeit an / FN als reine Arbeiterpartei?
Alain de Benoist

Bei den Europawahlen wurde seine UMP mit Abstand stärkste Partei, die französischen Regionalwahlen stehen erst im nächsten Jahr an – trotzdem greift Nicolas Sarkozy schon jetzt auf eine Methode zurück, die sich bereits bei seiner Wahl zum Staatspräsidenten bewährt hat: Er wirbt um rechte Wähler, die er, nachdem sie ihm den Sieg gesichert haben, mit einer Politik abspeisen wird, die im genauen Gegensatz zu seinen vorherigen Versprechen steht. Neu ist dieses Verfahren nicht – vor Sarkozy haben es unzählige andere Politiker erfolgreich angewandt. Neu ist allerdings die außerordentliche Unverfrorenheit, mit der Sarkozy vorgeht: Einerseits läßt er sich von der Rechten wählen, andererseits holt er Linke in seine Regierung.

Sarkozy ist der Kandidat des liberalen Bürgertums. Nur verschafft ihm dies alleine bei Wahlen keine echte Machtbasis. Zum Staatschef brachte er es 2007, weil er dem Front National (FN) einen Großteil seiner Wähler abwerben konnte. Genauer gesagt handelte es sich um den Teil der Mittelschicht und des Kleinbürgertums, der den thematischen Positionen Jean-Marie Le Pen zuneigte, aber die Hoffnung verloren hatte, der FN-Gründer und langjährige Vorsitzende könnte jemals in den Élysée-Palast einziehen. Ebenso wie Sarkozy 2007 Kriminalität und nationale Identität zu seinen Wahlkampfthemen erkor (abgenommen hat seither nur letztere), geht er diesmal mit der Forderung eines europäischen Protektionismus hausieren. Der Lissabon-Vertrag, als dessen leidenschaftlicher Verteidiger Sarkozy auftritt, verbietet letzteren ausdrücklich. Sogar den türkischen EU-Beitritt lehnt er plötzlich ab – dabei wurden unter der französischen EU-Präsidentschaft zwei neue Kapitel in der Prüfung von Ankaras Beitrittsgesuch eröffnet, und mit Pierre Lellouche ist kürzlich einer seiner Hauptbefürworter zum Staatssekretär für europäische Angelegenheiten ernannt worden.

Mithin handelt es sich keineswegs um eine „Öffnung“ gegenüber der Rechten, sondern lediglich um die fortschreitende Austrocknung der Wählerreserven rechter Parteien. Bislang ist seine Taktik aufgegangen. Nach den Europawahlen stand die Rechte vor einem Scherbenhaufen. Indirekt leistete Sarkozy auch Daniel Cohn-Bendits Grünen-Bündnis sowie den Linksaußen-Kräften unter Führung des Trotzkisten Olivier Besancenot Schützenhilfe. So gelang es ihm, François Bayrous liberale Partei Mouvement Démocrate auszuschalten und den Sozialisten eines der schlechtesten Wahlergebnisse ihrer Geschichte zu bescheren.

Am schwersten sind die beiden wichtigsten Rechtsparteien, der FN und Philippe de Villiers’ „Souveränisten“-Bewegung Mouvement pour la France (MPF), betroffen. Der FN ist nicht nur durch mehrere Spaltungen und gravierende Finanzprobleme geschwächt (JF 28/07), auch um Le Pens Nachfolge tobt ein heftiger Streit. Seine Tochter Marine Le Pen, die logische Kandidatin für den Parteivorsitz, genießt parteiintern keineswegs rückhaltlose Unterstützung.

Bald rechter Flügel innerhalb der Präsidentenpartei UMP?

In einer noch schlimmeren Lage befindet sich der MPF. Bei den Europawahlen 2004 hatten FN (9,8 Prozent) und MPF (6,7 Prozent) insgesamt zehn Sitze im Straßburger Parlament gewonnen, inzwischen sind es nur noch drei für den FN (6,3 Prozent) und einer für de Villiers (4,8 Prozent), der als einziger EU-Abgeordneter unter dem Libertas-Logo gewählt wurde (JF 25/09) .

Nun ist mit einem faktischen Verschwinden des MPF von der politischen Bühne zu rechnen. Die meisten seiner Funktionsträger haben bereits die Absicht bekundet, der UMP beizutreten, in der illusorischen Hoffnung, einen rechten Flügel der Präsidentenpartei zu bilden. Selbst Parteichef de Villiers hat kapituliert und in der Libération erklärt, er wolle sich auf Einladung Sarkozys einem parteiübergreifenden Ausschuß zur Lösung innenpolitischer Probleme unter dem Marseiller UMP-Bürgermeister Jean-Claude Gaudin anschließen.

Bei aller Schwächung ist es um den FN immerhin noch etwas besser bestellt. Hauptsächlich liegt das daran, daß Le Pens Partei stets zwei unterschiedliche Wählerschichten angesprochen hat. Zum einen war dies ein klassisches, politisch rechtsgerichtetes Kleinbürgertum – das sich als erstes von Sarkozys Sirenengesängen verführen ließ –, zum anderen Menschen aus den Unter- und Arbeiterschichten, die früher Links bis Linksaußen wählten.

Letztere halten dem FN bislang die Treue. Das erklärt auch, warum sein Schwerpunkt sich auf der politischen Landkarte innerhalb weniger Jahre vom Mittelmeer in den französischen Norden verlagert hat. Im EU-Wahlbezirk Nordwest erreichte der FN 10,2 Prozent. In der Bergbauregion des Département Nord sind es in einer Handvoll Gemeinden sogar Werte zwischen 15 und 25 Prozent. Der FN ist am ehesten dort in der Lage, sich gegen Sarkozys Vereinnahmung der Stammwähler zu wehren, wo er sich um die Belange der früheren Linkswähler und der Arbeiter kümmert.

Wehrt er sich jedoch allzusehr, wird der cordon sanitaire um ihn herum schnell wieder in die Höhe gezogen. In Hénin-Beaumont, wo kürzlich eine Nachwahl auf kommunaler Ebene anstand, kam Marine Le Pen im ersten Durchgang auf 39,3 Prozent der Stimmen, im zweiten auf beachtliche 47 Prozent. Dennoch unterlag sie ihrem Kontrahenten, einem Politiker der linken Mitte, der auf die Unterstützung sämtlicher etablierten Parteien – von Sarkozys UMP bis zu den Kommunisten – zählen durfte.

 

Alain de Benoist, französischer Philosoph und Publizist, ist Herausgeber der Zeitschriften „Nouvelle École“ und „Krisis“.

Foto: Präsident Sarkozy: Will die Konkurrenz von rechts vereinnahmen

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