© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/09 14. August 2009

„Und sie fürchten nicht das Ungewisse“
Minentaucher und Kampfschwimmer: Während die einen oft im Fokus des Interesses stehen, ist die harte Arbeit der anderen eher unbekannt
Hans Christians

Wenn der Befehlshaber der Minentaucherkompanie in Eckernförde anläßlich des 45jährigen Bestehens seiner Einheit darauf hinweist, daß es sich bei ihnen nicht um Kampf- oder Marinetaucher, sondern um Minentaucher handelt, dann schwingt ein wenig Stolz mit. Daß diese Erläuterung notwendig ist, zeigt aber auch, wie wenig die breite Öffentlichkeit vom Einsatzspektrum einer Waffengattung weiß, die abseits des medialen Interesses agiert.

Entsprechend orientieren sich die Bewerber eher an den bekannten und damit auch populären Einheiten. Fallschirmjäger, Panzerfahrer, Luftwaffe und auch die Marine werden häufig in den Präferenzen genannt. Spezialeinheiten wie die Minentaucher kommen dabei schlecht weg. Von den 120 Planstellen bei den Minentauchern der Deutschen Marine sind daher auch derzeit nur rund die Hälfte besetzt. Kapitänleutnant Thorsten Klinger, Chef der einzigen Minentaucherkompanie in der Bundesrepublik, macht die mangelhafte Außenwirkung für diesen Zustand verantwortlich: „Die Minentaucher als Spezialisten sind relativ unbekannt und stehen leider in Konkurrenz zu den Kampfschwimmern oder anderen Spezialeinheiten. Wir müssen unseren Bekanntheitsgrad steigern, um die Minentaucherei als interessante Verwendung anzupreisen.“ Dies ist alleine schon deshalb nötig, um die Einsatzfähigkeit der Einheit auch weiterhin zu gewährleisten und einem „Verlust einer einzigartigen Fähigkeit“ (Klinger) entgegenzutreten. Die Aufgaben für die Minentaucher haben zugenommen und sind in den letzten Jahren vielschichtiger geworden. „Da es aber nicht dementsprechend viele Minentaucher gibt, entsteht für die Taucher eine hohe Belastung durch die vielen Einsätze“, fügt der Kompaniechef hinzu.

Von den 120 Planstellen sind nur rund die Hälfte besetzt

Doch es hängt wohl nicht nur an der ausbaufähigen Öffentlichkeitsarbeit, auch die Form der Ausbildung und des Einsatzes spielt eine Rolle. Minentaucher (Wahlspruch: „Nec aspera terrent – Und sie fürchten nicht das Ungewisse“) sind absolute Spezialisten, ihre Ausbildung gehört zu den härtesten innerhalb der Bundeswehr. Ein Schwerpunkt liegt in der Tauch- und der Schwimmtechnik. Absolute körperliche Fitneß ist hierfür unerläßliche Voraussetzung. Die dreijährige Ausbildung stellt allerhöchste Anforderungen an Physis und die Psyche. Darüber hinaus zählt auch ihre Ausrüstung zum Besten, was die Armee zu bieten hat. Allein die neue Ausrüstung für einen Bewerber kostet rund 65.000 Euro.

Die Kernaufgabe der Minentaucher ist komplex und schwierig. Sie werden dann eingesetzt, wenn der Verdacht besteht, daß sich Sprengstoffe in Gewässern befinden. Oder aber, wenn es darum geht, Embargos zu überprüfen und einzuhalten. Ihr Einsatzgebiet könnte praktisch an jedem Ort der Welt sein, wie sich bereits in der Vergangenheit zeigte. Innerhalb von UN- und Nato-Mandaten wurden ihre besonderen Fähigkeiten – zu Wasser, aber zunehmend auch zu Lande – immer wieder benötigt, so beispielsweise in Afghanistan, im Kosovo, am Horn von Afrika oder nach dem Golfkrieg bei der Räumung des Minengürtels im Persischen Golf vor Kuwait.

Doch es sind nicht die heiklen Einsatzgebiete, die Interessierte abstoßen. Es sind vor allem finanzielle Aspekte, die die Nachwuchssorgen der Minentaucher begründen. Durch die Reduzierung von Zulagen ist die Entlohnung innerhalb der letzten Jahre immer dürftiger geworden seien, dabei hat sich das Aufgabengebiet ständig erweitert. So verdient heute ein Minentaucher durchschnittlich 600 Euro weniger als ein Kampfschwimmer.

Die Konsequenzen sind spürbar. Der erste Nachwuchslehrgang im Jahr 2009 mußte vorzeitig abgebrochen werden. Den Bewerbern mangelte es an Ehrgeiz, Qualifikation und den körperlichen Voraussetzungen. „Bis Ende 2009 bekommen wir keinen neuen Minentaucher“, sagt Kompaniechef Klinger. Schon jetzt beträgt das Durchschnittalter der etwa 60 Minentaucher der Deutschen Marine rund 35 Jahre, und durch die längeren Einsatzzeiten erhöhe sich zwangsläufig auch das Risiko.

Bedingt durch die bessere finanzielle Ausstattung ist die Situation bei den Kampfschwimmern deutlich besser. Dies mag vor allem daran liegen, daß es sich bei diesen – anders als bei den Minentauchern – um eine kämpfende Einheit handelt. Sind die Minentaucher wie beschrieben stets dann im Einsatz, wenn es um Aufspüren und Unschädlichmachen von Sprengkörpern geht, sind die Kampfschwimmer sprichwörtlich an der Front. Sie werden eigens für den Kampf über und unter Wasser ausgebildet, im Zweiten Weltkrieg nannte man sie daher entweder Froschmänner oder Meereskrieger.

Minentaucher und Kampfschwimmer gehören zur selben Gattung der Waffentaucher. Die Ausbildung unterscheidet sich in ihrer jeweiligen Spezialisierung, nicht jedoch in ihrer Intensität. Nicht umsonst werden rund 70 Prozent aller Bewerber innerhalb der ersten Monate „ausgesiebt“. Eine Musterung ohne Einschränkung, ausgiebige medizinische Tests sowie die Fähigkeit, über die Grenzen von Reflexen und körperlicher Schmerzen hinauszugehen, sind dabei unerläßliche Vorraussetzungen.

Nachfrage nach qualifizierten Tauchern ist stark gestiegen

Nach einer allgemeinen militärischen Grundausbildung gabeln sich die Wege der beiden Ausbildungslehrgänge. So stehen bei den Kampfschwimmern unter anderen der Einzelkämpferlehrgang sowie der Erwerb des Fallschirmspringerabzeichens auf dem Unterrichtsplan. Bei den Minentauchern liegt der Schwerpunkt auch in technischen Details. So müssen die Bewerber einen Feuerwerkerlehrgang bestehen und eine Sonderausbildung zur Kampfmittelbeseitigung absolvieren.

Während Kampfschwimmer küstennah, unentdeckt und in geringer Tiefe operieren, werden Minentaucher auch auf offener See und zum Teil in größeren Tiefen eingesetzt. Entsprechend unterschiedlich sind die Atemgeräte. Während es für die Kampfschwimmer wichtig ist, nicht entdeckt zu werden, müssen die Minentaucher mit Sauerstoff versorgt sein, um auch längere Zeit unter Wasser agieren zu können.

Nicht zu verwechseln mit den Waffentauchern sind die sogenannten Helm- oder Schiffstaucher, die die Bundeswehr seit knapp 50 Jahren in Neustadt ausbildet. Sie sind Spezialisten für die Unterwasserarbeit mit schwerem Gerät wie Bohrhämmern, Kettensägen und Schneidegeräten. Sie reparieren Schiffe und auch Kaianlagen unter Wasser. Ihr Einsatzgebiet bezieht sich rein auf den technisch-mechanischen Bereich, scherzhaft werden sie innerhalb der Marine auch „Automechaniker unter Wasser“ genannt.

Verglichen mit den Minentauchern oder den Kampfschwimmer ist die Ausbildung verhältnismäßig moderat. Nach dem Ende des zwölfwöchigen Lehrgangs gehen die Absolventen zu einer der Stützpunkt-Tauchergruppen der Marine in Kiel, Warnemünde und Wilhelmshaven. Im Kreis der Schiffstaucher finden sich überwiegend Zeit- und nur wenige Berufssoldaten. Für viele Bewerber spielt hier der Übergang in die Berufswelt eine entscheidende Rolle. Mit der Ausbildung bei der Bundeswehr können sie eine Weiterführung zum „Geprüften Taucher“ ablegen.

Der Bedarf an qualifizierten Leuten ist in der freien Wirtschaft in den vergangenen Jahren stetig gestiegen, gerade im Bereich von sogenannten Offshore-Projekten. Hierzu zählen unter anderem die Errichtungen von Windparks in Meeren oder die Erbauung und Instandhaltung von Bohrinseln auf hoher See. Voraussetzung für die Teilnahme an dem Lehrgang ist die bestandene Ausbildung zum Schwimmtaucher mit einer mindestens befriedigenden Abschlußnote. Sie sind relativ häufig auf den Schiffen der Marine anzutreffen und helfen beispielsweise bei der Abdichtung von Lecks oder vor allem bei der Bergung von in Seenot geratenen Personen. Ihre Qualifikation erlangen sie ebenfalls in Neustadt – in einem sechswöchigen Lehrgang.

Ein anderes, wenn auch vergleichbares Aufgabengebiet haben die Pioniertaucher, die in Percha am Starnberger See ausgebildet werden. Sie sind wie alle Pioniere in erster Linie Handwerker und somit in der Lage, alle Arten von technischen Arbeiten unter Wasser durchzuführen. Des weiteren haben sie die Befähigung,  alle erdenklichen Spielarten von Kampfmitteln zu beseitigen, auch oberhalb der Wasseroberfläche. Deshalb gehören die Pioniertaucher auch dem Heer und nicht der Marine an.

 

Stichwort: Spezialisierte Einsatzkräfte der Marine

Die Spezialisierten Einsatzkräfte der Deutschen Marine (SEK M) aus Eckernförde stellen einen eigenständigen Teil der Marine dar. Sie wurden 2003 aufgestellt und gehören zur Einsatzflottille 1 in Kiel. Verwendungszweck der SEK M ist die Unterstützung der Einheiten der Flotte. Sie übernehmen spezielle Aufgaben wie zum Beispiel Minenentschärfung, Terroristenbekämpfung sowie Schiffsdurchsuchungen. Dazu sind die etwa 400 Marinesoldaten der SEK M, darunter 20 Frauen, weltweit im Einsatz – ob als Minentaucher, Kampfschwimmer oder Boardingsoldaten.

Fotos: Eine Rotte Kampfschwimmer auf Beobachtungsposten: Die Operationen verlaufen zumeist küstennah und in geringer Tiefe, Minentaucher bei einer Übung: Absolute Spezialisten, deren Ausbildung zu den härtesten innerhalb der Bundeswehr gehört

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