© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/09 14. August 2009

Bushido: Die Häutungen des „Rüpel-Rappers“ verwirren die Geister
Die Zeiten ändern sich eben
Carlo Clemens

Kommen hier hin, schön tätowiert, große Fresse, locker und hey hey hey, wat wollt Ihr denn? Fußball ist Teamsport. Da gibt’s so ne Theorie. Kennst du die Apfeltheorie? Wenn du einen faulen Apfel in einen Korb reinlegst mit gesunden Äpfeln, werden die anderen auch faul. Also, wenn du bei unserer Truppe eine Woche bist, dann sind die alle versaut.“ Reiner Calmund, Fußball-Urgestein und Manager von Oliver Pochers Promitruppe McFit, zeigte sich sichtlich empört über Anis Mohamed Ferchichi alias Bushido.

Der „Rüpel-Rapper“ war mit großem Hallo in Pochers McFit All-Star Team gewählt worden, um den Bayern einmal ordentlich einzuheizen. Daß er über den nötigen Biß verfügt, hatte der 30jährige schon im Training bewiesen, als er den TV-Polizisten Thomas „Harry“ Weinkauf („Toto und Harry“) per Blutgrätsche stoppte, so daß dieser ins Krankenhaus eingeliefert werden mußte.

Bushidos bisherige Karriere verlief  so kontrovers wie beispiellos. Skandale begleiteten durchweg den Aufstieg vom Berliner Untergrund-Hiphopper bis zum Teenie-Idol auf Bravo-Postern. Als Krönung soll nun ein autobiographischer Film mit dem Titel „Zeiten ändern sich“ folgen. Der Streifen basiert auf seiner Autobiographie, die im letzten Jahr erschien und lange in den Bestsellerlisten rangierte. Verantwortlich zeichnet kein Geringerer als Bernd Eichinger, der den Film in Zusammenarbeit mit Uli Edel („Der Baader-Meinhof-Komplex“) produziert. Anfang 2010 soll er in den Kinos anlaufen. Eichinger will nach eigenen Aussagen einen Film machen „wie Bushidos Musik: authentisch, provokant und radikal“. Letzterer konnte sein Glück gar nicht fassen: „Als mir das vorgeschlagen wurde, war das in etwa so, als würde Eminem anrufen und nach ‘nem Feature fragen.“

Bushido Superstar. Für die einen ist er der geschundene Araber-Junge, der authentisch das brutale Leben der Straße zeichnet – für die anderen  längst der gewiefte Geschäftsmann, der, geschickt sein „Gangsta“-Image reitend, mehr und mehr verbürgerlicht: eine tiefe Verbeugung vor Karel Gott hier, Unterstützung für Horst Schlämmers Wahlkampf (www.waehle-schlaemmer.de) da.

Außer Zweifel steht jedoch, daß er Trends gesetzt hat und in Deutschland der erfolgreichste seiner Art ist. Über 1,5 Millionen verkaufte Tonträger, Platin, Gold, Comet, Otto, Echo und MTV Europe Music Award sprechen für sich. Doch während unzählige Kinder und Jugendliche, sowohl den „Gangsta“-Stil als auch die türkisch-arabisch geprägten Verhaltensnormen kopierend, mit gepflegtem „Kiezdeutsch“ ihre Reviere (verun-)sichern oder mit der Shisha (Wasserpfeife) ihre Träume perfekt werden lassen, posiert der „Rüppel-Rapper“ mit Fliege, Breitling, glänzenden Lackschuhen und lässig geöffnetem Jackett auf dem 36. Deutschen Filmball 2009 in München.

Nichtsdestotrotz wollen kritische Stimmen aus verschiedenen Lagern nicht verstummen. Und Bushido ist immer eine Schlagzeile wert. „Bushido bekommt Ärger bei Homosexuellen-Demo“, titelte die Berliner Morgenpost und klärte auf: „In Kreuzberg ist es am Rande des ‘transgenialen CSD’ zu einer Auseinandersetzung zwischen Teilnehmern der Veranstaltung und dem Berliner Rapper Bushido gekommen. Es kam zu Handgreiflichkeiten – dann griff die Polizei ein.“ Sporadische Eskapaden gießen immer wieder Öl ins Feuer und bestätigen das Image.

„Sonny und Saad zwei ganz harte Moslems,/ wir sind das Double-Team wie Van Damme und Rodman,/ Junge ich kotz, denn Amerika gefällt euch, / für mich gibt’s nur eine Zahl und die is ‘11-9.“ Bushido hat eine Marktlücke entdeckt. Doch jeder Trend übersättigt irgendwann seine Klientel, neigt sich dem Ende zu. Dicke Karossen, schicke Villa, eine Biographie und jetzt der Film – zum Abschluß bitte noch ein fulminantes Finale, „Zeiten ändern sich“, wie auch Bushido weiß! Ein letzter kommerzieller Erfolg mit den Lorbeeren von gestern scheint sicher – eine kontroverse Debatte über Inhalt und Qualität ebenso.

Qualität? Wie bekannt verloren die „All-Stars“ den McFit-Spaßkick gegen  Bayern mit dreizehn zu null. Allerdings ohne Blutgrätscher Bushido. Der ließ das Benefiz-Event sausen. Versicherungstechnische Gründe, heißt es – oder war er doch im Kanzleramt, um mit Angela Merkel schon mal die Wahlkampfmusik zu besprechen?

Foto: Bushidoauf dem 36. Deutschen Filmball (Januar 2009): Neue Ziele im Blick?

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