© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/09 21. August 2009

Ein Monstrum namens Fed
US-Finanzpolitik: Die Federal Reserve ist keine staatliche Notenbank / Zwitter unter Regierungseinfluß
Bruno Bandulet

Wenn eine maßgeblich in New York konzipierte und erzeugte Finanzblase die halbe Welt in die größte Wirtschaftskrise seit den dreißiger Jahren stürzt, wenn Billionen von amerikanischen Steuergeldern mit Hilfe der Notenbank an die Finanzgiganten der Wall Street verschoben werden, wenn das führende Personal von Regierung, US-Notenbank (Federal Reserve) und Geschäftsbanken jederzeit austauschbar ist und dieselben Namen einmal hier und einmal dort auftauchen – dann ist es verständlich, daß sich um die amerikanische Finanzmacht, die ja zusammen mit dem Militär die Basis der US-Hegemonie bildet, die wildesten Verschwörungstheorien ranken.

Eine dieser Verschwörungstheorien besagt, daß die Federal Reserve gar keine staatliche Notenbank sei, sondern sich in privatem Besitz befinde und daß ihre Gründung auf ein Geheimtreffen zurückgehe, zu dem sich die mächtigsten Bankiers des Landes im November 1910 auf Jekyll Island, einer Insel vor der Küste Georgias, zusammengefunden hätten. Beide Behauptungen treffen zu. Es muß aber hinzugefügt werden, daß die Konstruktion des Federal-Reserve-Systems, kurz „Fed“, bei genauem Hinsehen etwas komplizierter ist.

Richtig ist, daß das System aus zwölf regionalen Federal-Reserve-Banken besteht und daß diese weder den Bundesstaaten noch der US-Zentralregierung in Washington gehören. Ihr Kapital wird von den amerikanischen Geschäftsbanken gehalten. Allerdings dürfen die Anteile nicht veräußert werden, und die Dividenden, die den Eigentümern zufließen, sind kaum der Rede wert. Jedenfalls unterscheidet sich der rechtliche Status der Fed grundlegend von dem der Deutschen Bundesbank. Denn diese ist eine bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts, und ihr Grundkapital gehört dem Bund.

Und doch ist das Federal Reserve System ein Zwitter, denn der staatliche Einfluß ist ungleich größer, als dies bei einer typischen Aktiengesellschaft der Fall wäre. Die sieben Gouverneure des Systems einschließlich des Vorsitzenden (derzeit Ben Bernanke, Amtszeit vorerst bis 2010) werden vom US-Präsidenten ernannt und vom Senat bestätigt; insofern handelt es sich beim „Kopf“ des Systems, eben dem Gouverneursrat, um eine Einrichtung der Regierung. Außerdem beruht die Existenz der Fed auf einem Gesetz, das der Kongreß am 23. Dezember 1913 beschlossen hat und das er – rein theoretisch – jederzeit ändern oder aufheben könnte.

Letzteres wäre freilich eine Frage der Machtverhältnisse. Ohne Zweifel vertritt die Fed auch oder vornehmlich die Interessen der New Yorker Großbanken – das hat sich im Verlauf der Finanzkrise überdeutlich gezeigt. Kein Zufall ist es auch, daß die von John Pierpont Morgan gegründete US-Großbank J.P. Morgan schon 1910 auf Jekyll Island dabei war, daß sie die jüngste Finanzkrise (durch Fusionen und Übernahmen nun unter JP Morgan Chase & Co. firmierend) unbeschadet überstand, daß sie immer noch Aktionärin der Federal Reserve Bank of New York ist – und daß letztere die Rolle des primus inter pares unter den Regionalbanken des Systems spielt. Die gelegentlichen manipulativen Eingriffe in den Devisen- und Goldmarkt, die manchmal erforderliche Stützung des Aktienmarktes, der Kauf und Verkauf von Staatsanleihen, aber auch die Aufbewahrung ausländischer Goldreserven einschließlich der deutschen – all das obliegt der New Yorker Fed. Mehr als jedes andere Institut im Land exekutiert sie den sogenannten Dollar-Imperialismus.

Würde morgen der amerikanische Staat den Privatbanken ihre Anteile an den Fed-Banken abkaufen, dann würde sich vermutlich kaum etwas ändern. Die USA würden dann immer noch von derselben Oligarchie regiert. Mitglied des Zirkels ist nicht zuletzt die brillant geführte Goldman Sachs Group, deren Einfluß bis in die Vorstandsetagen deutscher Dax-Konzerne und bis in das Bundeskanzleramt in Berlin reicht. Das 1869 von dem deutschen Auswanderer Marcus Goldman gegründete Finanzhaus aber war weder auf Jekyll Island anwesend, noch zählt das Institut zum Kreis der Fed-Aktionäre.

Ein anderes Beispiel für die Interessenverflechtung im Zentrum des Weltfinanzsystems ist der phänomenale Aufstieg von BlackRock zur größten Investmentgesellschaft der Welt. BlackRock zählt wie JP Morgan und Goldman Sachs zu den Profiteuren der Finanzkrise, wurde erst 1988 in einem Ein-Zimmer-Büro von Laurence Fink gegründet und kann sich jetzt Barclays Global Investors, eine Tochter der gleichnamigen britischen Bank, einverleiben. Dieselbe Firma BlackRock besorgt mit der einen Hand im Auftrag der Notenbank die Stimulierung des US-Immobilienmarktes sowie für die Regierung die Preisfindung und den Verkauf jener notleidenden Papiere, die die Finanzkrise ausgelöst haben – und reicht dieselben Papiere mit der anderen Hand an ihre bevorzugten Kunden weiter. Ein „Inside-Job“, so nennt Eliot Spitzer, der frühere Generalstaatsanwalt von New York, die Federal Reserve und ihren Umkreis.

Jetzt regt sich im US-Kongreß erstmals seit langem massiver Widerstand gegen das Geldkartell. Unter dem Titel „Audit the Fed“ fordert der Kongreßabgeordnete Ron Paul (JF 36/08) eine Bilanzprüfung der Notenbank, um sie zur Offenlegung ihrer Praktiken zu zwingen. Und er wird – das ist das Erstaunliche – von der Mehrheit des Repräsentantenhauses einschließlich 74 demokratischen Abgeordneten unterstützt. Eine Gesetzesinitiative also, die frontal mit dem Plan von US-Präsident Barack Obama kollidiert, die Fed zum Super-Regulator und Oberaufseher der Finanzmärkte zu befördern und damit ihre Kompetenzen auszuweiten wie nie zuvor. Paul, der auf die Geheimnisse des Tempels zielt, gegen Obama, den Exponenten des amerikanischen Systems: Mehr stand selten auf dem Spiel.

 

Dr. Bruno Bandulet ist Herausgeber des Finanzdienstes „Gold & Money Intelligence“.

Foto: Federal Reserve in Washington, D.C.: Kapital wird von den amerikanischen Geschäftsbanken gehalten

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