© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/09 28. August 2009

Rot-rot-grünes Wetterleuchten
Landtagswahlen: Während sich in Thüringen und Saarland ein Machtwechsel abzeichnet, hoffen die kleineren Parteien auf Aufmerksamkeit
Hans Christians

Die Umfragen verheißen der Union seit Wochen beste Aussichten für die Bundestagswahl am 27. September. Trotzdem könnte der kommende Sonntag einen Einschnitt in diesem bislang seltsam farblosen Wahlkampf markieren. Bei den Landtagswahlen in Thüringen und dem Saarland droht der CDU der Verlust der Macht. Beide Länder könnten demnächst von rot-rot-grünen Koalitionen regiert werden. Die Auswirkungen auf die heiße Phase des Bundestagswahlkampfes wären kaum kalkulierbar.

Im Saarland hat sich der SPD-Spitzenkandidat Heiko Maas quasi im Schlußspurt zum heißen Anwärter auf das Amt des Ministerpräsidenten gemausert. Auch wenn seine SPD nach den Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen am Wochenende mit 26 Prozent noch deutlich hinter der Union (36 Prozent) lag, könnte es zusammen mit der Linkspartei (16 Prozent) und den Grünen (sechs Prozent) für eine Ablösung von Regierungschef Peter Müller (CDU) reichen.

In Sachsen sind FDP und SPD gleichauf

Ähnlich sieht es in Thüringen aus, wo Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sich zuletzt Vorwürfen ausgesetzt sah, er mißbrauche seinen Ski-Unfall für Wahlkampfzwecke. Linkspartei-Spitzenkandidat Bodo Ramelow, dessen Partei in den Umfragen deutlich vor der SPD lag (25 zu 18 Prozent), schließt nicht mehr aus, zugunsten von SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie auf die Regierungsübernahme zu verzichten. Für eine Koalition zwischen CDU (35 Prozent) und FDP (10 Prozent) wird es kaum reichen. Die Grünen (fünf Prozent) könnten das Zünglein an der Waage spielen.

Dagegen darf sich in Sachsen Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) relativ entspannt zurücklehnen. Er kann sich Hoffnungen darauf machen, daß die Große Koalition nach dem Wahlabend von einem schwarz-gelben Bündnis abgelöst wird. Mit 42 Prozent führte die CDU deutlich vor der Linkspartei (20 Prozent). FDP und SPD lagen mit jeweils 11 Prozent gleichauf, während auf die NPD sechs Prozent entfielen.

In Sachsen wie in den anderen beiden Ländern kämpfen auch zahlreiche kleinere Formationen um Mandate. Besonders groß ist das Gedränge im Freistaat Sachsen. Insgesamt 16 Listen sind zur Wahl zugelassen, neben der NPD (JF 35/09) sind mit den Republikanern, der Deutschen Sozialen Union, der Sächsischen Volkspartei des NPD-Aussteigers Mirko Schmidt und der Mini-Formation Freiheitliche Partei Deutschlands vier Formationen im Spektrum rechts von der Union.

Während der SVP und der FDP keine wirklichen Erfolge zugetraut werden, schielen die DSU und die Republikaner zumindest nach dem Erreichen der Einprozenthürde und der damit verbundenen Teilhabe an der staatlichen Parteienfinanzierung. Die Republikaner erreichten bei der Europawahl im Juni in Sachsen mehr als zwei Prozent der Stimmen und haben eine zehnköpfige Liste aufgestellt. Dabei zählt der von zahlreichen Querelen gebeutelte Landesverband kaum mehr als 50 Mitglieder.

Die DSU, die in den Wendejahren ein durchaus wichtiger politischer Faktor im Freistaat war, schickt ihren Bundesvorsitzenden Roberto Rink ins Rennen. Die Partei hatte sich im Vorfeld um ein Wahlbündnis mit der Wählervereinigung „Arbeit, Familie, Vaterland“ des Bundestagsabgeordneten Henry Nitzsche bemüht. Dieser bewirbt sich jedoch im Wahlkreis 55 lediglich um ein Direktmandat. Zwar werden seine Chancen auf einen Einzug eher gering beurteilt, allerdings wird dem bürgernahen Populisten ein Achtungserfolg zugetraut. Gleiches gilt für die Piratenpartei. Angestachelt von regionalen Hochburgen bei der Europawahl, sehen sich die „Datenschützer“ in der Lage, die Fünfprozenthürde anzupeilen. Um die Stimmen unzufriedener Mitte-Wähler buhlt die Listenverbindung Freie Sachsen. Unter diesem Namen kandidieren unter anderem die Freien Wähler, die Ökologisch-Demokratische Partei, Die Grauen sowie Gabriele Paulis Freie Union. Trotz dieser eifrigen Sammeltätigkeit sind nennenswerte Zustimmungswerte für diese Liste bisher in keiner Meinungsumfrage feststellbar.

Auch im benachbarten Thüringen sind die Aussichten auf einen Außenseiter-Coup gering, obwohl dort nur neun Parteien auf dem Stimmzettel stehen. Im rechts-konservativen Lager treten die Republikaner ohne nennenswerte Konkurrenz an. Vor fünf Jahren erzielte die Partei, die am Sonntag erneut mit dem Landesvorsitzenden Heinz Schneider ins Rennen geht, zwei Prozent der Stimmen.

Eher als den Republikanern ist den Freien Wählern in Thüringen ein Erfolg zuzutrauen. Allerdings hat das Fehlen eines zugkräftigen Themas sowie die Auseinandersetzungen im bayerischen Landesverband um Gabriele Pauli die Euphorie im Lager der „Freien“ merklich abkühlen lassen. In allen Meinungsumfragen werden sie unter den „Sonstigen“ aufgeführt, für die zusammen fünf Prozent vorhergesagt werden.

Eine regionale Besonderheit bietet die Landtagswahl im Saarland – und dies nicht nur, weil die Linkspartei mit ihrem Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine die erste rot-rote Regierung in einem westlichen Bundesland möglich machen möchte. Eine Meinungsumfrage von Infratest Dimap sorgte eine Woche vor der Abstimmung für Aufsehen: Immerhin drei Prozent wollen demnach die bürgerliche Familienpartei wählen.

Familienpartei hat sich an der Saar etabliert

Exakt dieses Ergebnis erzielte die kleine Formation bereits vor fünf Jahren. Allerdings stand die Landtagwahl 2004 unter einem viel günstigeren Stern. Auf dem Höhepunkt der Hartz-IV-Proteste war die Bereitschaft, eine kleine Partei zu wählen, wesentlich höher. Zudem stand damals schon im Vorfeld praktisch fest, daß die CDU mit Ministerpräsident Peter Müller erneut eine absolute Mehrheit erzielen würde. Doch daß die „Familie“ auch in diesem Jahr offenkundig punkten können wird, ist nur auf den ersten Blick überraschend. Beobachter sprechen davon, daß die kleine Partei innerhalb des Saarlandes mittlerweile über eine feste Stammwählerschaft verfüge.

Angefangen hat das kleine Polit-Märchen mit dem Parteieintritt des Kinderarztes Franz-Josef Breyer im Jahr 1989. Der bodenständige und eloquente Mediziner vertrat die „Familie“ engagiert und bürgernah über Jahrzehnte im Stadtrat der Mittelstadt St. Ingbert. Bis November 2006 hatte er auch den Bundesvorsitz der Partei innen. Der 74jährige hat den Stab mittlerweile an die nächste Generation weitergegeben. Zumindest im östlichen Saarland werden der „Familie“ am kommenden Sonntag durchgängig Ergebnisse von über fünf Prozent zugetraut.

Weitere Informationen über kleinere Parteien im Internet unter www.andere-parteien.de 

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