© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/09 11. September 2009

„Oma und Opa kommen mit“
Vom Fuhrwagen zum Megacoaster: Der Europapark Rust ist und bleibt ein Familienunternehmen
Hinrich Rohbohm

Ein Zischen ertönt. Nebel steigt empor. Dann geht es los. Per Katapultstart jagt der Megacoaster „Blue Fire“ aus dem Tunnel, erreicht die 100 km/h in 2,5 Sekunden. Gekreische in der Achterbahn. Es ist die neueste Attraktion des Europaparks im badischen Rust, ganz in der Nähe des Schwarzwalds.

Die Familie Mack hatte ihn 1975 gegründet. 120 Mitarbeiter hatte das Unternehmen damals. Heute kann der Betrieb über dreitausend Arbeitsplätze in Deutschland vorweisen. Und noch immer befindet sich der Park im Familienbesitz – was inzwischen keine Selbstverständlichkeit ist. Längst haben viele Vergnügungsparks ihren persönlichen Charakter verloren, längst gehören sie weitestgehend anonymen Beteiligungsgesellschaften und Finanzkonsortien.

Vielleicht ist es die lange Tradition, auf die das mittelständische Unternehmen zurückblicken kann, die überaus große Zeitspanne an Erfahrung und Kompetenz in der Entwicklung und Produktion von Fahrattraktionen.

Dabei verdiente Paul Mack sein Geld zunächst weniger mit dem Spaß der Menschen als vielmehr an deren Ableben, als er den Betrieb im Jahre 1780 ins Leben rief.  „Angefangen hatte alles mal mit dem Bau von Leichenwagen“, verrät Roland Mack, ein Nachkomme des Unternehmensgründers und heutiger geschäftsführender Gesellschafter des Europaparks.

Die junge Firma baut Fuhrwagen und Postkutschen – hundert Jahre lang. Bis sie eines Tages ein Gefährt für den Orgeltransport konstruiert. Für die Firma Mack wird es der Grundstein zum Wagenbau für Schausteller- und Zirkusunternehmen. „Wir wurden Generalausstatter für den Zirkus“, erzählt Roland Mack.

Ende des 19. Jahrhunderts baut sein Urgroßvater bereits eine Berg- und Talbahn. Und auch ein erstes Pferdekarussell aus Holz wird von ihm entwickelt.  Doch der professionelle Einstieg in die Konstruktion von Fahrgeschäften für Volksfeste und Jahrmärkte erfolgt erst in den zwanziger Jahren, als das Unternehmen die erste Holzachterbahn herstellt.

Während des Zweiten Weltkriegs sattelt der Betrieb zeitweilig um, produziert Munitionsfahrzeuge für die Wehrmacht. Aber selbst in dieser schweren Zeit hätten die Deutschen Volksfeste und Jahrmärkte besucht, weiß Mack aus Erzählungen seiner Vorfahren. Wenige Jahre nach dem Krieg folgt die Rückkehr ins Fahrgeschäft.  1951 baut Mack die erste aus Holz gefertigte Bobbahn – ein entscheidender Innovationsschub. Mack gelingt der verstärkte Export seiner Fahrattraktionen in die USA. Und macht damit die Entstehung heute weltbekannter Resorts wie Disneyland, Busch Gardens oder Sea World erst möglich. 1957 wartet das Unternehmen mit dem Prototyp seines wohl größten Exportschlagers auf:  Der „Wilden Maus“, einer Achterbahn, die noch heute auf nahezu jedem Jahrmarkt zu finden ist und inzwischen weltweite Berühmtheit erlangt hat.

Waren die Fahrgeschäfte bis dato größtenteils mobil genutzt worden, so beginnt Mitte der siebziger Jahre ihr stationärer Einsatz. Es ist der Beginn der Spaßgesellschaft, Vergnügungsparks sprießen jetzt wie Pilze aus dem Boden.

Für die Firma Mack fängt eine neue Epoche an. Das Unternehmen beschränkt sich nicht mehr auf Entwicklung und Export. 1975 eröffnet der Betrieb die Pforten seines Europaparks bei Rust: für die damals gerade einmal 2.600 Einwohner kleine Gemeinde ein Glücksfall. Nicht nur, daß der zwischen deutschem Schwarzwald und französischen Vogesen gelegene Ort einen potenten Arbeitgeber gewann. Auch die Gewerbesteuereinnahmen dürften beim dortigen Gemeindekämmerer berauschende Glücksgefühle ausgelöst haben.

„Die Gemeinde ist schuldenfrei“, weiß Roland Mack. Und ihre Bürger genießen Privilegien, um die sie manche andere Kommune beneiden dürfte. So hat jeder Einwohner des Dorfes lebenslang freien Eintritt in den Europapark. Und Kindergartengebühren muß auch niemand zahlen. Denn die werden ebenfalls von Mack Rides getragen: ein Zugeständnis an die Bürger für den zunehmenden Verkehr und den Bau neuer erforderlicher Straßen. „Plötzlich haben Sie wegen uns Staus auf den Autobahnen“, nennt Mack einen weiteren Grund für das bürgerfreundliche Entgegenkommen. Und auch bei den örtlichen Behörden sei viel Überzeugungsarbeit nötig gewesen, um den notwendigen Ausbau der Infrastruktur genehmigt zu bekommen.

Mitten im Park steht übrigens noch heute das 1442 von der elsässischen Adelsfamilie Böcklin von Böcklinsau errichtete Wasserschloß Balthasar. Die Familie Mack hatte es gekauft und restaurieren lassen. Heute dient es als Restaurant. Unter anderem werden hier mittelalterliche alemannische Rittermahle abgehalten. Mehr als vier Millionen Besucher strömten im vergangenen Jahr in den gut 85 Hektar großen Park mit seinen über 120 verschiedenen Fahrattraktionen. 1993 waren es gerade mal die Hälfte gewesen. Damit ist der Europa-Park nicht nur der größte Freizeitpark Deutschlands, sondern zugleich der besucherstärkste saisonale Freizeitpark der Welt. Ein Erfolgsmodell, das im Rahmen der Globalisierung auch im Ausland seinen Siegeszug antreten soll? „Nein“, sagt Roland Mack. Vielmehr wolle man den deutschen Standort weiter ausbauen. So sollen demnächst zusätzliche Übernachtungsmöglichkeiten geschaffen werden, weitere 40 Hektar Fläche stehen für Erweiterungsbauten zur Verfügung.

Längst ist die Mack Rides GmbH & Co. KG  zum Inbegriff eines erfolgreich geführten mittelständischen deutschen Familienunternehmens geworden. Bereits vor zehn Jahren wurde Roland Mack mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, im vergangenen Jahr zum Ritter der französischen Ehrenlegion ernannt. 2003 wählte ihn die Jury der Unternehmensberatung von Ernst & Young zum Entrepreneur des Jahres. Im gleichen Jahr wurde der Vater von drei Kindern zum Sonderbotschafter des Europarates für Familien ernannt.

Doch bekommen nicht gerade Familien in Freizeitparks einfach nur etwas vorgesetzt? Kinder, die von ihren Eltern an der Eingangspforte eines Vergnügungsparks abgegeben werden, damit sie selbst sich nicht um sie kümmern müssen?

Roland Mack sieht das erwartungsgemäß anders. „Es ist doch heutzutage unglaublich schwierig geworden, die ganze Familie zusammenzubringen“, beginnt er. In einem Park funktioniere das. „Da kommen sogar Oma und Opa mit.“ Zudem biete das Umland mit dem Schwarzwald oder dem Bodensee über den Europapark hinaus hervorragende Möglichkeiten zur ergänzenden Freizeitgestaltung.

Und obwohl viele seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und der jüngsten Weltwirtschaftskrise vom Ende der Spaßgesellschaft reden, bleibt Mack Optimist. „Gerade wenn die Zeiten schwieriger werden, bleiben mehr Menschen im eigenen Land. Einmal, weil man sich in der Heimat sicherer fühlt, zum anderen, um die gestiegenen Flugpreise zu sparen.“ Um den Erhalt von der Firma als Familienbetrieb muß er sich ebenfalls keine Sorgen machen. Seine Söhne Michael und Thomas sind bereits seit zwei Jahren als Unterstützung in die Geschäftsführung eingebunden.

Geöffnet ist der Freizeit- und Familienpark in Rust bei Freiburg täglich von 9 bis 18 Uhr.Weitere Informationen im Internet unter www.europapark.de

Fotos: Achterbahn: In 2,5 Sekunden beschleunigt der „Blue Fire“ auf Tempo hundert, Reise durch Europa: Die Themenbereiche des Parks sind jeweils einem Land zugeordnet, Roland Mack: Geschäftsführer und Sonderbotschafter, Wohnen wie Indianer: Zelte als Mehrbettzimmer, Sturz ins Naß: Die Wildwasserbahn „Atlantica“

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