© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/09 25. September 2009

WIRTSCHAFT
Nur mediale Sonntagsreden
Jens Jessen

Das angebliche Fernsehduell zwischen der Kanzlerin und ihrem Herausforderer war eine Werbeveranstaltung für die Fortsetzung der Großen Koalition. Hatten sich SPD und CDU/CSU vor der Bundestagswahl 2005 noch über die Möglichkeit einer Entkopplung der Gesundheitskosten von den Löhnen („Gesundheitsprämie“) und andere Grundsatzfragen zur Gesundheits- oder Steuerpolitik (Kirchhof-Konzept) gestritten, beschränkten sich die Meinungsunterschiede jetzt auf Randfragen. In den vier Jahren Schwarz-Rot kam es mit dem Gesundheitsfonds nur zu einem Reform-Alibi, das der Gesichtswahrung der beiden politischen Partner diente. Die Lösung längerfristiger Probleme im Gesundheitswesen wurde hinausgeschoben.

Die SPD glaubte noch vor einem Jahr, daß sie mit ihrem favorisierten Modell der Bürgerversicherung – einer indirekten Steuererhöhung – im Wahlkampf punkten könnte. Die Weltfinanzkrise hat diesen Wunsch zu einer Petitesse verkommen lassen. Die finanzpolitische und realwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und Europa wurde von beiden Kandidaten wider besseres Wissen geschönt dargestellt. Das Deklamieren von Gerechtigkeit, sozialer Marktwirtschaft und Wachstum konnte die Bürger vor dem Fernseher nur erschrecken. Wer genau hinsah und hinhörte, bekam Angst vor dem, was auf Deutschland mit beiden Kandidaten zurollt. Ohne ein Programm, wie die Krise, die uns noch bevorsteht, in den Griff zu bekommen sein könnte, lobten sie sich gegenseitig und hielten Sonntagsreden. Die vier Moderatoren des TV-Duells mischten sich aber nicht ein. Nach einer ernsthaften Analyse, warum Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier ihre Große Koalition fortsetzen wollen, wagten die deutschen „Top-Journalisten“ nicht zu fragen.

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